Rumble!

Explosive West Side Story in Wuppertal

von Frank Becker

Jets vs. Sharks - Foto © Uwe Stratmann

Rumble!
 
Explosive West Side Story in Wuppertal

nach einer Idee von Jerome Robbins

Buch von Arthur Laurents - Musik von Leonard Bernstein - Songtexte von Stephen Sondheim
Deutsche Fassung von Frank Tannhäuser und Nico Rabenald
in einer Inszenierung von Katja Wolff

 
Musikalische Leitung: Christoph Wohlleben - Regie: Katja Wolff - Choreografie: Christopher Tölle - Co-Choreographie: Vanni Viscusi - Bühne: Cary Gayler - Kostüme: Heike Seidler - Lichtdesign: Pia Virolainen - Regieassistenz: Michel Driesse - Bühnenbildassistenz: Saskia Wunsch - Abendspielleitung: Corinna Jarosch - Inspizienz: Klaus Bjarne Kasch - Statisterie: Michael Pachura        
 
Besezung: Maria: Martina Lechner – Tony: Gero Wendorff - Anita: Sarah Bowden - Riff : Christopher Brose – Bernardo: Vladimir Korneev
Jet-Ensemble: Action: Andres Esteban - A-Rab: Martin Ruppel - Baby John: Benjamin A. Merkl - Big Deal: Benny Tyas Diesel – Alex: Hyne - Snowboy: Patrick Stauf - Anybody`s : Sabrina Reischl – Clarice: Sanne Buskermolen – Graziella: Fanny Hoffmann – Minnie: Julia Waldmayer – Pauline: Vicki Douglas – Velma: Veronika Enders
Shark-Ensemble: Anxious: Michael Sattler – Chino: Kevin Reichmann – Louis: Janos Harot – Indio: Oriol Sanchez i Tula – Pepe: Tim McFarland – Consuelo: Joana Henrique – Estella: Ahou Nikazar – Marguerita: Lara de Toscano – Rosalia: Andrea Sanchez del Solar – Teresita: Theano Makariou
Weitere Rollen: Doc: Stefan Gossler – Lt. Shrank: Dietmar Nieder - Officer Krupke: Claus Renzelmann - Dance Captain: Vanni Viscusi - Female Swing: Jane Reynolds
Es spielt das Sinfonieorchester Wuppertal.
Aufführung mit englischen Songs (übertitelt) und deutschen Dialogen.
 
Wuppertaler Premiere am 2. Dezember 2015
 

Dance at the Gym - Foto © Uwe Stratmann

Selten vibrierte in jüngerer Zeit der Zuschauerraum der Wuppertaler Oper vor Erwartung so wie am Mittwochabend vor der Premiere der aufwendigen Eigenproduktion der „West Side Story“ in einer Inszenierung von Katja Wolff. Die Presse im Kompaniestärke, das Publikum illuster – da fehlte niemand, der auch nur irgendwie in dieser gebeutelten Stadt mit Kultur zu tun hat. Politik, Musik, Schauspiel, Literaten, Theaterkollegen, Theaterbegeisterte, alle da, alle Plätze besetzt.
Seit 1957, als Arthur Laurents und Stephen Sondheim den Romeo und Julia-Stoff mit der wundervollen Musik von Leonard Bernstein und der kongenialen Choreographie von Jerome Robbins für das Musical adaptierten und spätestens seit der grandiosen Verfilmung 1961 durch Robert Wise sind die Songs daraus von ungebrochener Popularität. Da kann fast jede(r) mitsingen und mitschnippen: „Prologue“ „Jet Song“, „Dance at the Gym“, ,„Maria“, „Tonight“, „America“, „I Feel Pretty“, „Cool“, „Somewhere“ und „Gee, Officer Krupke“ ist nur eine Auswahl der Titel, die wohl ewige Musical-Geschichte geschrieben haben.
 
Verona wird zur Bronx (die hitzig aufgeladene Stimmung der brodelnden, sommerschwülen Bronx brauchte etwas Zeit zum Überspringen), die

Martina Lechner, Gero Wendorff -
Foto © Uwe Stratmann
Montagues zur Straßengang der Jets, bereits in Amerika geborener Jugendlicher, die Capulets zu den

Sarah Bowden - Foto © Uwe Stratmann
verfeindeten neu eingewanderten puertoricanischen Sharks. Amerikaner sind sie alle, doch es ist im Kleinen wie im Großen stets die gleiche Geschichte: Machtgelüste, rassistische Vorbehalte auf beiden Seiten und Macho-Gehabe verhindern kluge Gespräche und friedliche Ko-Existenz. Daß sich dazwischen keine Liebe entwickeln kann, es schlechterdings nicht darf, wissen wir nicht erst seit Shakespeare.
So werden bei der „West Side Story“ seit 58 Jahren die Taschentücher in Theatern und Kinos bis an die Grenzen ihres Aufnahmevermögens gefordert, wenn sich die Bestimmung des tragischen Paars Maria/Julia und Tony/Romeo erfüllt: Tod als Mahnung zur Versöhnung. Gefordert sind auch jeder Regisseur, jedes Ensemble, die sich diesem perfekt konzipierten Stück stellen, das in Musik, Choreographie und Gesang keine Abweichungen oder Experimente verzeiht.
 
Katja Wolffs Inszenierung wird dem hohen Anspruch in der eindrucksvoll trostlosen Ausstattung von Cary Gayler und mit der Jerome Robbins würdigen Choreographie von Christopher Tölle/Vanni Viscusi in einem brillanten Gesamtkonzept gerecht, sieht man von der die Harmonie zerstörenden, völlig unnötig hinzu erfundenen drastischen Beischlafszene zwischen Maria (Martine Lechner) und Tony (Gero Wendorff) und einer nicht ganz zufriedenstellenden Katharsis nach der Katastrophe ab.
Tänzerisch vom Prolog über den Jet-Song, den rassigen „Dance at the Gym“ bis zu „America“ (hier funkelten wie auch mehrfach sonst die Sharks-Girls), „Cool“ und dem explosiven „The Rumble“, perfekt choreographiert, stimmlich und sanglich in Soli, Duetten und Ensemble-Nummern durchweg überzeugend, trug ein glänzendes, hoch motiviertes Ensemble (mit über 30 Sängern und Tänzern groß besetzt) diese fraglos begeisternde Inszenierung, die auch mit weichen musikalischen und tänzerischen Übergängen zwischen Dialogen und Tanzszenen punktete. Die gut herausgearbeiteten dramatischen Höhepunkte nehmen auch den Zuschauer mit, der das Stück genau kennt.
Originelle Regieeinfälle wie z.B. die Mädchen der Sharks „I Feel Pretty“ angeschickert trällern zu lassen, atmosphärisch der Dampf der New Yorker Kanalisation simuliert wird oder die wirkungsvolle Lichtregie (Pia Virolainen), wenn sich beim tödlichen Schuß schlagartig alle Fenster der Mietskasernen erleuchten, runden das brillante Gesamtbild.
 
 
The Rumble - Foto © Uwe Stratmann


Somewhere - Foto © Uwe Stratmann

Ein bißchen lief die ausdrucksstarke Sarah Bowden als Anita (eine Tänzerin von Gnaden und gute Schauspielerin) dem tragisch verliebten Paar den Rang ab, entsprechend fiel auch bei den fast zehnminütigen Ovationen für Ensemble und Regie-Team ihr Sonderapplaus aus. Neben dem zauberhaften Liebespaar Martina Lechner/Gero Wendorff glänzten vor allem auch Sabrina Reischl dynamisch als Jet-Maskottchen „Anybody´s“, Vladimir Korneev als heißblütiger Bernardo, Christopher Brose als Riff und Kevin Reichmann zurückgenommen als Chino. Stefan Gossler als mäßigender Drugstore-Besitzer Doc und Dietmar Nieder als fieser rassistischer Lt. Schrank machten unter den „Erwachsenen“ eine gute Figur.
Besondere Anerkennung gebührt dem begleitenden Orchester: Das Sinfonieorchester Wuppertal unter Christoph Wohlleben lieferte, wenn auch nicht immer im Einsatz punktgenau, zu diesem tänzerisch hochwertigen, explosiven Abend würdig die geniale Musik Bernsteins, womit es seinen Rang als sinfonischer Klangkörper auch mit Jazz- und Unterhaltungspotential belegte.
Diese „West Side Story“ kann ich Ihnen fast vorbehaltlos (s.o.) empfehlen, aber nehmen Sie wegen der expliziten Gewaltszenen bitte nicht Ihre Kinder unter 15 Jahren mit.
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de