Der Unterhändler (Bridges of Spies)

Zeit des Kalten Kriegs

von Renate Wagner

Der Unterhändler (Bridges of Spies)
USA / 2015 - Ab 27. November 2015 in den Kinos
 
Regie: Steven Spielberg - Drehbuch: Coen-Brüder
Mit:
Tom Hanks, Mark Rylance, Sebastian Koch u.a.
 
Man kann die Persönlichkeit des Steven Spielberg wohl kaum auf einen Nenner bringen. Zu oft schon hat er sich (vom „Weißen Hai“ bis „E.T.“, von „Indiana Jones“ bis „Jurassic Park“) einfach als großes Kind präsentiert, das in perfekter Machart einfach Albernes auf die Leinwand bringt. Und dann ist er immer auch der verantwortungsvolle Amerikaner mit den wichtigen Themen (von „Die Farbe Lila“ bis „Reich der Sonne“, von „Schindlers Liste“ bis „Amistad“, von „München“ bis „Lincoln“). Nächstes Jahr wird er 70, es ist ein langes Künstlerleben, das er hinter sich hat. Und nun liefert er wieder einen hoch politischen Stoff, der zwar in die Zeit des Kalten Kriegs zurückblendet, aber seine Landsleute doch auffordert, ihre demokratischen Rechte nicht zu Gunsten irgendwelcher Vorurteile aufzugeben. Wie aktuell, letzten Endes.
 
Zurück ins Jahr 1957, die Russen sind die Feinde, die Amerikaner sind die Feinde, die Fronten waren erheblich verhärtet, und in Berlin, West und Ost, trafen sie zusammen, unter den unerbittlichen, bösartigen Augen der DDR. Das Drehbuch der Coen-Brüder erzählt nun einen realen Fall von anno dazumal – als die Amerikaner nämlich den russischen Spion Rudolf Abel schnappten. Man wollte ihm, allerdings nur pro forma, einen „fairen Prozeß“ geben, tatsächlich lechzte man danach, ihn am Elektrischen Stuhl zu sehen.
Tom Hanks spielt nun James B. Donovan, den Versicherungsagenten, den man sich als Pro forma-Verteidiger holt, und dank Gott ist Hanks dabei, mit seiner großen inneren Lebendigkeit, die den doch eher nüchternen und trockenen Film auflockert. Gleich zu Beginn darf er zeigen, was er kann, wenn er bei einem Motorradunfall, wo man seiner Versicherung vielfaches Geld abknöpfen will, so souverän verhandelt, daß er für ein Minimum ein Optimum bekommt. Darum wird es auch später gehen…
Zuerst ist aber da Rudolf Abel, außerordentlich gespielt von Mark Rylance. Ein stiller Mann, der sich nie aufzuregen scheint, selbst wenn es um sein Leben geht – „Would it help?“ fragt er nur. Natürlich würde es nichts helfen. Man würde ihn allerdings noch mehr mögen, sähe er nicht so sehr wie Adolf Eichmann aus. Tatsächlich: Ja, ein russischer Spion, aber einer, der keine Wahl hatte, und der seine Landsleute so gut kennt, daß er sich schon aufgegeben hat.
Der Versicherungsanwalt, der kein Strafverteidiger ist, stürzt sich mit den guten amerikanischen Tugenden des Anstands in seinen Fall – und verhandelt. Der geifernde Richter ist zum Todesurteil entschlossen, aber Donovan weiß, wie man Geschäfte macht: Bringen wir ihn nicht um, meint er, wer weiß, wozu wir ihn noch brauchen. Vielleicht wollen wir ihn einmal austauschen…
Und genau so kommt es ein paar Jahre später: Der junge Pilot Francis Gary Powers (Austin Stowell) ist bei einem Spionageflug über die Sowjetunion abgeschossen worden (und hat, sehr zum Ärger seiner Vorgesetzten, nicht die Giftpille genommen– wie konnte er nur). Das ist Donovans Stunde. Nun soll er nach Ostberlin, den Austausch vornehmen. Mittlerweile ist es Mitte 1961, die Mauer wird gerade gebaut.
Hier nimmt der Film etwas an Fahrt auf, nicht nur, weil in den vorzüglichen Babelsberg-Studios das Mauer-Berlin so erschreckend aufersteht, wie man es in Erinnerung hat. Die Schikanen, die der Amerikaner in der DDR aushalten muß, sind nicht lustig und werden detailreich aufgefächert – das putzt den Film auf, macht ihn lebendiger, Sebastian Koch und Burghart Klaußner sind auf der Seite der häßlichen Deutschen dabei.
Und dann wird es trickreich, denn während Donovan in Berlin ist, schnappen die DDR-Grenzsoldaten an der Mauer willkürlich einen jungen Amerikaner, der eigentlich nichts getan hat.
Donovan, der nun nur Abel für die Russen hat und gegen den Piloten austauschen will, hat nun noch jemanden, den er herausholen soll. Den will er allerdings von der DDR, die ohnedies vor Komplexen geschüttelt wird, daß sie nur ein machtloses Anhängsel der Russen sein sollen, und sich mehr als zickig verhalten. Donovan / Hanks, auf seine Verkäufer-Qualitäten zurückgeworfen, fährt ohne Übertreibung zu wahrem Verhandlungsgenie auf… bis am Ende dann an der Glienicke Brücke wirklich prickelnde Spannung aufkommt, ob die Dinge so laufen, wie Donovan es hofft, was bis zur letzten Minute unsicher bleibt.
Man hat diese Szene übrigens an der echten Glienicke Brücke gefilmt, die damals – wie der Titel des Films – „Bridge of Spies“ genannt wurde, und das Zeitgefühl der späten fünfziger, frühen sechziger Jahre ist allein in der Ausstattung brillant eingefangen, ganz abgesehen von dem geistigen Klima, das Spielberg zeichnet, dem Druck, den „Vaterlandsverräter“ Donovan ausgesetzt war, weil er den „bösen Russen und Feind“ verteidigt hat.
Spielberg endet versöhnlich in jeder Hinsicht, gibt noch eine Schlußpointe drauf, wo Donovan, der niemandem sagen durfte, wo er war, seiner Frau ein Geschenk vom Supermarkt mitbringt, angeblich im Duty Free-Shop von Paris gekauft…
 
Im Endeffekt sind es immer amerikanische Heldenstories, die Spielberg in seinen ernst zu nehmenden Filmen zeigt, und wenn er Gefahr läuft, da den Humor zu verlieren und allzu bierernst und am Ende gar belehrend zu werden… ja, dann ist es, wie erwähnt, sehr gut, Tom Hanks zu besetzen. Mit ihm geht man als Kinobesucher widerspruchslos in jedes Abenteuer.
 

Renate Wagner 25.11.15