Ohne Zähne, aber mit Biß

Theater an der Ruhr: Carlo Goldonis „Die Trilogie der schönen Ferienzeit“

von Frank Becker

Ohne Zähne, aber mit Biß
 
Gastspiel des Theaters an der Ruhr mit Carlo Goldonis
„Die Trilogie der schönen Ferienzeit“
 
Remscheid. Der kurze Auftritt des zahnlosen und Microport-verstärkten  Roberto Ciulli als Onkel Bernardino, ein Faun, eine exzellente Weißclown-Karikatur, gegen Ende seiner eigenen Inszenierung von Carlo Goldonis „Die Trilogie der schönen Ferienzeit“ hatte Biß. Mehr jedenfalls als ein Gutteil der Charaktere des viele Köpfe zählenden Personals auf der Bühne beim Gastspiel des Theaters an der Ruhr im Remscheider Teo Otto Theater. Nicht ganz grundlos war das Publikum nach der Pause etwas dezimiert.
 
Leonardo (Albert Bork) liebt Giacinta (Simone Thoma), Tochter des wohlhabenden Bürgers Filippo (Rupert J. Seidl), hofft zugleich, mit der Mitgift seinen Dalles loszuwerden. Seine Schulden drücken ihn, aber noch nicht genug. Guglielmo (Peter Schröder) liebt Giacinta auch, wird aber mit der reizlosen Vittoria (Petra von der Beek), Leonardos Schwester verbandelt. Filippo richtet die jährlichen Sommerferien auf dem Lande aus, alle wollen mit, niemand will in Livorno bleiben, weil ja eh alle fort sind. Also packt eine Gesellschaft nichtsnutziger Verschwender, fauler Dämchen, Prasser und Modegecken die Koffer – die Rivalen sind ebenso mit von der Partie wie der Schmarotzer Ferdinando (Volker Roos). Der landet zielgerichtet bei der in die Jahre gekommenen, nichtsdestoweniger lüsternen Tante Sabina (Christine Dorner) und ihrem Geld, auf das er scharf ist. Die einzigen, die ohne finanzielle Interessen zusammen finden, sind die Dienstboten Brigida (Nicola Thomas) und Paolo (Ferhade Feqi, der endlich einmal Schauspielunterricht nehmen sollte). Am Ende haben alle etwas bekommen, aber so richtig froh wird keiner mit seinem „Glück“.
 
Goldonis dreiteilige Komödie aus dem Jahr 1761 ist so etwas wie das „missing link“ zwischen Lessings bürgerlichem Theater und Gorkis Abrechnung mit dem Kleinbürgertum. Die sehr burleske, an die Komödien von Dario Fo erinnernde Inszenierung Ciullis hat schöne Bilder, so die Bar-Szene mit witzigen Tanz-Einlagen, bekommt dem Stück aber nicht durchweg. Kabinettstücke wie das säureköchelnde Wort-Duell zwischen Giacinta und Vittoria oder die Auftritte Ferdinandos sind verhältnismäßig dünn  gesät. Christine Dorner und Steffen Reuber (als Tognino, ein „junger Tölpel“) zeigen viel Charakter und Originalität. Die fabelhafte Simone Thoma als Weibchen und Vamp, Hure, Heilige und Aas (wenn sie die Beine übereinander schlägt, bebt die Bühne) und der süffisante Volker Roos als stolzierender Schmarotzer von Molière´schen Dimensionen aber sind durchweg und von allen anderen unerreicht die Glanzpunkte der Aufführung. Freundlicher Applaus, fünf Vorhänge.
 
Frank Becker, 8.1.03