Schatten

von Arnim Juhre
Schatten

Neben mir steht einer
mager wie ich.
Sein mantel ist
schäbig wie meiner.
Unsere schatten fallen den hang hinab
fallen auf unsere heimatstadt
falln als mattes abendlicht.
Und mein nachbar spricht
daß wir speichen sind
schmale speichen im schweren rad.
Und mein nachbar rollt den hang hinab
rollt weit weit weit bis in die stadt
rollt bis vor eine schmale tür
und geht hinein.
ich will nicht feige sein
und geh ihm nach.
Ich stehe vor meiner eigenen tür
und weiß
wenn ich jetzt öffne werde ich erschrecken.
Untreue reckt sich in allen betten
hat die kleider über den stuhl gelegt
buhlt mit meinem weib.
Ich habe die klinke noch nicht berührt
drück meine stirn an die tür
sehe wie sie sich halten vor angst
sich selber beweinen und nicht reden können
und ein leben lang nackend gehen
weil meine stirne nun alles gesehn.
Und mein nachbar kommt wieder
rollt schweigend vorüber
hat die gleiche erfahrung gemacht.
Wir kommen an häusern vorbei
in denen derselbe erbliche schrei
nicht aufhört zu buhlen.
Und am ende des städtchens winkt sein kind.
Das kennt ihn nicht, aber sieht ihm nach.
Sechzehn jahre ists alt und winkt und winkt
singt das lied von den speichen im schweren rad.

Arnim Juhre


© Martin Juhre