Abenteuer Barbizon - oder: Die Liebe zum Grashalm

Die neue Ausstellung des Wuppertaler Von der Heydt-Museums zeigt die Landschaft in Malerei und Fotografie von Corot bis Manet und von Nadar bis Giroux

von Frank Becker

Die Liebe zum Grashalm

Da sage noch mal einer, die Entwicklungen des technischen Zeitalters hätten den bildenden Künsten feindlich gegenübergestanden. Daß es zumindest im Zusammenhang mit den Malern und Fotografen der Schule von Barbizon, besonders den mit dem Ehrentitel der "Plejaden" ausgezeichneten Gruppen anders war, belegt "Abenteuer Barbizon", so der Titel der neuen Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum, die am 4. Februar eröffnet wird.

Die Wiederentdeckung und vor allem die Vermittlung eines umfassenden Blicks auf die zu ihrer Zeit

Camille Corot - Paturages marécageux
um 1865-70

revolutionäre Freilicht-Landschaftsmalerei der Schule von Barbizon im Frankreich der Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich Dr. Gerhard Finckh, seit einem Jahr Direktor des Von der Heydt-Museums, auf die Fahnen geschrieben - und eine außergewöhnlich umfangreiche repräsentative Ausstellung zusammen gebracht. Den Grundstock fand er in den eigenen Magazinen, denn allein rund 40 der 120 Gemälde
der Barbizon-Ausstellung gehören dem Wuppertaler Museum, die übrigen, dazu seltene Konvolute früher Photographie wurde von Leihgebern wie u.a. dem Münchner Stadtmuseum, dem Kölner Museum Ludwig, der Nationalgalerie Berlin, dem Museum der bildenden Künste Leipzig und vielen anderen mehr, sowie aus Privatbeständen wie den Sammlung Mayer und Dietmar Siegert zur Verfügung gestellt. 260 Exponate sind so zusammengekommen, die vom kommenden Sontag an der Öffentlichkeit präsentiert werden.

"La peinture est mort!", zitiert Gerhard Finckh im Vorwort zum Ausstellungskatalog den Maler Paul Delaroche mit einer Äußerung der Resignation angesichts der Entwicklung der Photographie 1839. Dominique Ingres hingegen sah das pragmatischer: "Wer von uns könnte diese zarte Genauigkeit erreichen. Was für eine wunderbare Sache ist doch die Photographie..., aber, man darf es nicht laut










Théodore Rousseau - Der Dorfbackofen 1853
sagen". So wie er sahen es auch die Maler von Barbizon, die das Gewühl des Molochs Paris hinter sich gelassen und, von den Engländern John Constable, William Mallord Turner und Richard Parkes Bonington beeinflußt, eine neue Sicht auf die Natur und ihre Darstellung gefunden hatten. In den Wäldern von Fontainebleau bei der Ortschaft Barbizon hatte sich um 1830 eine Künstlerkolonie gegründet, die neben den Malern auch die Photographen anzog, die ja anfangs nichts anderes taten, als mit der Kamera genau das zu tun, was einige von ihnen zuvor mit dem Pinsel getan hatten. Ein reger Austausch von Motiven und Techniken befruchtete freundschaftlich die Arbeit beider Genres.

Aus der Vielzahl der heute teils beinahe vergessenen Namen ragen die oben erwähnten "Plejaden" heraus, die sieben bedeutendsten dieser Schule: Jean-Baptiste Camille Corot (1796-1875), Charles François Daubigny (1817-1878), Narcisse Virgile Diaz de la Peña (1807-1876), Jules Dupré (1812-1889),
François Millet (1814-1875), Théodore Rousseau (1812-1867) und Constant Troyon (1810-1865). Mitunter wird auch Gustave Courbet zu diesem illustren Kreis gezählt. Die Detailtreue der Naturdarstellungen, die "Liebe zum Grashalm" wurde charakteristisch für die Barbizon-Maler.
Nachdem 1849 eine Eisenbahnlinie von Paris aus die Wälder von Fontainebleau durchquerte und half, auch schweres Material dorthin zu schaffen, entwickelten Maler und Photographen mit allem, was sie schleppen konnten eine so intensive Tätigkeit, daß bald auch die Besucher der Pariser Salons auf die ländliche Idylle aufmerksam und zu Wochenendbesuchern von Barbizon wurden. Die Malerei wurde zum gut verkäuflichen Modeartikel, die Photographie zum erschwinglichen Pendant der Bilder, die erstmals in der Geschichte der französischen Malerei die Natur "pur" an Ort und Stelle authentisch abbildete.

Jean Francois Millet - Die Wäscherinnen, um 1848
Die Identifikation der Künstler mit "ihren" Wäldern verhinderte schließlich gar deren Abholzung und die erreichte die Schaffung des ersten Naturschutzgebiet Frankreichs mit immerhin 600 ha. Die "Paysage intime" brachte das Landleben den Städtern im krassen Gegensatz zum Tumult der Großstadt näher.  Was die Barbizon-Schule in der Malerei vorgegeben hatte, wurde von Photographen mit schweren Plattenkameras nachvollzogen. Akribische Naturstudien, Landleben und Idyllen auf Photopapier fanden in Paris ebenso freundliche Aufnahme wie die kleinen Ölbilder im Taschenformat. Auch hier bildete sich eine Gruppe von besonders einflußreichen Kamera-Künstlern: Alfred Briquet (1833-1880), Eugène Cuvelier (1837-1900), Constant Famin (1827-1888), André Giroux (1801-1879) Gustave Le Gray (1820-1884), Charles Marville (1816-1878) und Charles Nègre (1820-1880).

Von ihnen allen und vielen, vielen mehr - Vorläufern der Landschaftsmalerei ab Joachim Patinir und Le

Constant Alexandre Famin - 
Cour de Ferme  ca. 1860
Lorrain, den englischen Vorbildern - darunter allein drei Constables - bis hin zur impressionistischen Nachfolge der Barbizon-Künstler, also Alfred Sisley, Claude Monet, Edouard Manet u.a.m. zeigt die sehenswerte Ausstellung, die so Gerhard Finckh "für das Von der Heydt-Museum maßgeschneidert und nur hier zu sehen ist". 34 Maler und 41 Photographen werden einander gleichwertig vorgestellt. Man hat dafür ein Beleuchtungskonzept entwickelt, das Teile der historisch-thematischen Räume in da in Dämmerlicht taucht, wo die empfindlichen mehr als 160 Jahre alten Photographien gezeigt werden, während der gegenüberliegende Teil des Raumes im Licht der Farben der Maler leuchtet. Wir sehen so wunderbare Bilder wie Daubignys "Landschaft mit Teich", Duprés "Landschaft im Mondlicht", Millets "Die Ebene von Chailly", Diaz de la
Peñas prä-impressionistische "Blumen" oder Corots "Landschaft bei Étretat - photographische Baumstudien von Famin, Wolkenstudien von L.M., phantastische Seestücke von Le Gray und Portraits von Millet, Courbet, Diaz de la Peña und Corot von Petit, Carjat und Nadar.

Zur Ausstellung ist ein opulenter, durchgängig farbig illustrierter Katalog von 300 Seiten mit Beiträgen von Dr. Antje Birthälmer,
Dr. Gerhard Finckh, Thomas Maier & Bernd Müllerschön, Dr. Ulrich Pohlmann und Susanne Hecht erschienen. Dank der Unterstützung der Brennscheidt Stiftung, der Stadtsparkasse Wuppertal, des Kunst- und Museumsvereins Wuppertal und der Wuppertaler Stadtwerke kann dieser üppige Katalog für nur 20,- € verkauft werden.















Dr. Gerhard Finckh -
Foto © Alina Gross

Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, dem 4. Februar 2007, um 11.30 Uhr - Turmhof 8, 42103 Wuppertal. Es sprechen Oberbürgermeister Peter Jung und Dr. Gerhard Finckh. Die Ausstellung ist bis zum 6. Mai 2007 zu sehen.

Weitere Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de