Der Spott der kleinen Dinge

Der Umzug

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Der Umzug
 
Neulich sollte ich umziehen. Es mußte sein. Sagte der Chef. Ich habe mit Befehlen vom Chef kein Problem. Ich war auf einer katholischen Schule. Einer muß ja sagen, was Gut und Böse ist. Ich fand mein altes Büro gut, aber der Chef findet ein neues besser. Ich würde solche Dinge einem Chef nie übelnehmen. Ein Chef hat ja auch wieder einen Chef. Und der hat auch wieder einen. Wer das nicht erkennt, wird immer ein Autoritätsproblem haben. Über die, die sich was von Ratzinger als Papst versprochen haben, kann ich nur lachen. Leute!, sein Chef ist Gott! Meiner ist Rheinländer.
     Wer der Chef von Gott ist, darüber habe ich neulich lange mit einem halbjapanischen Freund gesprochen. Man kommt mit Halbjapanern nicht oft auf einen Nenner, aber nach der dritten Flasche waren wir sicher: Wenn man wüßte, wer Chef Gottes ist, hätte man die Antwort auf alle Fragen – den Strauchschnitt auf der A 40, den Fußpilz, die Mitarbeiterüberwachungskameras im Discount und warum eine Frau Kanzler werden darf. Nach der vierten Flasche hatten wir die Lösung. Wir wußten, wer Gottes Chef ist!
     Wir tanzten und sangen, wir waren erschüttert und begeistert zugleich. Leider hatten wir es am anderen Morgen beide vergessen. Das war natürlich vom Chef Gottes so gewollt.
     Beim Packen der Umzugskartons fiel mir ein Ratgeberbuch in die Hand. Das Buch war voller Glücksstrategien aus dem Tierreich. Termiten zum Beispiel sind die Feng-Shui-Meister der Natur, Lachmöwen wiederum enorme Liebhaber, während Rotgesichtsmakaken als superbe Familienmenschen gelten.
     Ich hatte mich regelrecht festgelesen und versuchte gerade, mit Hilfe eines zweiten Bürostuhls die Entspannungsmethoden der Erdmännchen zu imitieren, als meine Mutter anrief. Ich erinnerte sie streng daran, mich nicht im Büro anzurufen. Sie lachte darüber.
     Ich hätte gern ein Beispiel aus der Tierwelt angeführt, um sie zu überzeugen, aber das Buch war bei meiner Erdmännchen-Entspannung hinter den Kühlschrank gefallen. Ich suchte es mit der eben erlernten Technik des Kiefernhähers. Es war unter dem Eindruck der Erdmännchen-Entspannung nicht leicht. Meine Mutter hatte inzwischen aufgelegt. Dabei gilt sie als ausgesprochen tierlieb.
 
 

© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.