Ohne Spektakel, dafür beharrlich

Jürgen Kasten – „Tödlicher Reis“

von Martin Hagemeyer

Ohne Spektakel, dafür beharrlich

Jürgen Kastens Ökokrimi „Tödlicher Reis“
 
Ab und zu sagen Krimiautoren, sie interessierten sich gar nicht für Polizeiarbeit. Andere Schriftsteller dieses Genres stellen das Tun ihrer Ermittler mit erkennbarem Vergnügen in den Mittelpunkt der Handlung. Jürgen Kasten vertritt letzteren Typ mit seinem dritten Kriminalroman „Tödlicher Reis“ aus gutem Grund, war er doch im Brotberuf lange Zeit Kommissariatsleiter für Kapitaldelikte.
 
Damit mag zusammenhängen, daß dieser in Wuppertal spielende Roman solide Krimikost der entspannten Art bietet: Das titelgebende Thema um genetisch veränderte Reispflanzen gibt den Rahmen für den Fall; doch präsenter als diese brisante Materie ist das Tun und Lassen von Kriminalkommissar Murat Cenk und Kollegen, warum sie wo ermitteln und wo nicht. Was aber nicht etwa bloß dröge Büroberichte bedeutet: Eheprobleme des begehrten Polizisten nach einer Affäre mit der Anwältin Patrizia von Schuchnitz wie auch manch behördeninterne Verstimmung sind nicht nur Beiwerk, sondern eng mit Fortgang und Auflösung verzahnt.
 
Zum Inhalt: Ein junger Umweltaktivist wird tot auf dem Gelände eines Ronsdorfer Agrochemie-Konzerns gefunden, der hier Versuche für gentechnische Optimierung betrieben hat. Zum Elternhaus hatte der Biologiestudent kaum Kontakt, und die WG-Mitbewohnerinnen geben sich verschlossen. Neben diesen Forschungen im privaten Umfeld des Opfers steht das Thema Gen-Industrie zunächst im Hintergrund.
Doch auch wenn das dem Krimi erst einmal einiges von seiner aktuellen Brisanz nimmt: Dafür entspinnt sich ein spannender Konflikt auf menschlich-interner Ebene, der das Ganze entscheidend vorantreibt. Denn erst drängt Cenks Vorgesetzter, den Fall schnell zu den Akten zu legen, dann erfährt der Kommissar: Auch sonst will alle Welt den toten Studenten im Feld möglichst rasch zu den Akten legen. Ob Journalist Schrader oder Jungstaatsanwalt Schreiber: Was sie von ihren Chefs zu hören bekommen, klingt verdächtig ähnlich wie die Weisungen aus dem Präsidium.
Und das gerade läßt die Handlung kippen, besser: bringt Cenk, zuvor selbst nur mäßig motiviert, erst auf Touren. „So geht das nicht“, beschließt Murat Cenk wenn auch zähneknirschend in einer Schlüsselszene: „Wenn wir uns fügen, können wir unseren Beruf gleich an den Nagel hängen.“
 
Als Leser erfährt man in eingeschobenen Kapiteln per Rückblende einiges zum Seelenleben des sensiblen Opfers, was man dann den Ermittlern voraushat. Ansonsten folgt man den beharrlichen Recherchen, die mit privaten Befindlichkeiten des Kommissars verquickt sind. Mal wirkt das etwas konstruiert, denn seine Geliebte war zufällig auch die Anwältin des Jungen, der ihre Dienste nach ungeschickten Versuchen von „Öko-Sabotage“ gut gebrauchen konnte. Mal entlockt ihm dann Kollege Schlupkothen die widerwillige Auskunft, daß die Ehekrise Grund für die zunehmend getrübte Stimmung war – das ist dramaturgisch geschickt gesetzt und macht zudem die Figur Cenk plastisch und sympathischer.
Wie das alles dann doch noch mit der obskuren Öko-Thematik zusammenhängt: Das erfahren Kommissar und Leser Schritt für Schritt, übrigens basierend auf einem im Kern authentischen Reis-Projekt realer Agrarkonzerne. All das vor einer Wuppertaler Kulisse, die für Ortskundige Bilder entstehen läßt, sich aber nicht unnötig ins Zentrum spielt. Ein Besuch bei Pina Bausch mit dramatischen Folgen gehört ebenso dazu wie schon zu Beginn eine zwar ernste, aber stimmungsvolle Szene auf dem morgen-vernebelten Scharpenacken.
 
Jürgen Kasten – „Tödlicher Reis“
© 2015 Bergischer Verlag, 284 S., Broschur  -  ISBN 978-3-943886-77-1
9,99 €.
 
Weitere Informationen: www.bergischerverlag.de