Der Spott der kleinen Dinge

Im Gartencenter

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Im Gartencenter
 
Neulich war ich in einem Gartencenter. Wenn Baumarktgänger Frühlingsgefühle bekommen, suchen sie Gartencenter auf. Gartencenter sind Orte der Triebabfuhr. Ich bin ein ausdrücklicher Verfechter der Triebabfuhr. Politisch wird sie zu Unrecht stiefmütterlich behandelt. Dabei sind Triebe krisenfest. Das Konjunkturpaket II sollte ausschließlich in Erotik- und Gartencenter fließen. Ich glaube, daß der Kauf einer Strauchschere Kriege verhindern kann.
    Erst recht, wenn sie dem „Antiblocking-System der zweiten Generation“ angehört. Dann nämlich verfügt sie neben Ausdauer und Bedienkomfort auch über ein LED-Display. Der alte Mann vor mir, der sich energisch für die Schere interessierte, erläuterte dem unruhig wirkenden Gartencentermann, daß die Ladezeit der zweiten Generation sich um ein Drittel verkürzt habe. Der Gartencentermann unterdrückte ein Seufzen. Aber für einen alten Mann ist eine verkürzte Ladezeit natürlich das pure Leben. Gartencenterkunden sind gut informiert. Wie Hypochonder bei Arztbesuchen. Gartencenterkunden freuen sich auf den Besuch. Die Vorfreude ist die keusche Schwester des Triebs.
    Der alte Mann sagte zu seinem Berater, daß er bei ihm ja letztes Jahr auch das Treibhaus gekauft habe. Er sagte nicht „ein“ Treibhaus, er sagte „das“ Treibhaus. Dann sang er ein Loblied auf die Sechs-Millimeter-Stegdoppelplatte des Treibhauses. Dann drehte er sich um und sagte zu mir: „Es ist sogar für Schneelasten geprüft. Bis 500 Kilo!“ Er hob den rechten Zeigefinger. Alte Männer lieben Zahlen. Zahlen entschädigen für vieles. Was ich persönlich von einem schneesicheren Treibhaus jetzt nicht behaupten würde.
    Ich war im Gartencenter, um einen pfeifenden Frosch zu kaufen. Der Frosch funktioniert so, daß er eigentlich gar kein Frosch ist, sondern ein Bewegungsmelder in Froschgestalt. Die Brüder Grimm würden sagen: ein verzauberter Bewegungsmelder. Sie sehen, wie wundervolle Mythen durch Technokraten geschändet worden sind.
    Als der alte Mann mit der Strauchschere ging, sagte man mir, Pfeiffrösche seien nicht mehr gefragt und daher ausgelistet. Mit einer Tüte Schnittlauchsaatgut floh ich in den hochtrabenden Frühling.


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.