Salzburg (2)

Ein pasticcio musicale

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Salzburg (2)

Also Salzburg, da waren wir ja dran. Ich war also da und habe die Zauberflöte und die Ariadne auf Naxos gesehen, klassisch Oper also. Gucken wir aber da doch ein Momentchen zurück: woher kommt das denn überhaupt: Oper?
Es gibt einen wundervoll schrulligen Musikwissenschaftler, Professor Martin Vogel, 2007 in Bonn verstorben, der sein Leben lang nach dem Ursprung von Musik forschte und dabei zu sehr exotisch anmutenden Ergebnis kam, aber wer weiß? vielleicht hat er Recht? Ich habe bei ihm Vorlesungen besucht und zwar immer mit dem allergrößten Vergnügen, Wenn er z.B. von den alten Griechen erzählte. Woher stammt unsere Musik war seine Frage aller Fragen? Ausgehend von den Griechen mit ihren Vierteltönen und einer sicher frühen Mehrstimmigkeit gelangte Vogel durch älteste Felszeichnungen im Jemen und in Eritrea zu der Erkenntnis, dass entscheidende frühe kulturelle Errungenschaften wie Metallverarbeitung, Fernhandel, Tierzucht und eben unsere Musik auf das engste mit der Domestizierung des Esels als frühestem Reit- und Lasttier des Menschen verknüpft waren. So war es also der Esel, der mit seinen Tonfolgen die Menschheit auf die Musik brachte. Na gut, wenn man sich so manche Komposition anhört: warum nicht?! Er meinte es aber ernst und da ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, daß es zwischen Mensch und Arbeitsprozessen – und wenn es der Esel als Lasttier ist – auch musikalischen Zusammenhänge gibt, Gesänge z.B. die einem die Arbeit erleichtern, so was gibt es auf jedem Kontinent, bei allen Völkerschaften, aber das ist ein eigenes Thema.
 
Beispiel:
 
Hinweis aus dem englischen Wikipedia: The song is a work song, and makes references to the construction of the American railroads in the mid-19th century. The tarriers of the title refers to Irish workers, drilling holes in rock to blast out railroad tunnels.
 
Natürlich gab es auch immer das Bedürfnis von Menschen, die Welt, in der sie leben, darzustellen: entweder um die Götter anzubeten oder um sich zu amüsieren, entweder um dramatische große Geschichten zu erzählen, denken Sie nur an die griechischen Tragödien, oder um andere Menschen zu unterhalten und über die Dummheiten des Lebens zu lachen. Und da war immer Musik dabei: ob es der Chor bei den alten Griechen war oder das Gamelan-Orchester auf Bali, das die Tempeltänze musikalisch untermalte. Bei uns in Europa entwickelte sich aus den antiken Formen im Mittelalter dann das Mysterienspiel heraus, um den Menschen über die Unterhaltungsschiene die christlichen Inhalte näher zu bringen. Wir sehen: der Gedanke via Unterhaltung Kunden an die eigene Firma zu binden ist so alt wie die Menschheit selbst und keine Erfindung von RTL oder Pro 7 oder so!
Herrscher haben sich unterhalten lassen von Zauberern, Musikern, Sängern und Schauspielern. Lange Zeit war Musiktheater, wenn man es so nennen kann, den Kirchen, Tempeln und Königen vorbehalten, bis schließlich 1637 in Venedig das erste öffentliche Opernhaus seine Pforten auftat, das Teatro San Cassiano. Ab da lief es so, wie wir es kennen: Monteverdi schuf seine grandiosen Opern, heute noch gerne gespielt: „Incoronazione di Poppea“ zum Beispiel, oder „Orfeo“, die Komponisten bekamen Geld für ihre Werke, die Librettisten aber, die mußten schauen, wo sie blieben: also verkauften sie die Textheftchen zusammen mit kleinen Wachskerzen, damit der interessierte Zuhörer in der Vorstellung mitlesen konnte. Natürlich reichte das nicht zum Leben und zum Sterben, also war sehr schnell klar, daß die Librettisten einen normalen Beruf hatten und den Operntext nur nebenbei schrieben. Vielleicht ist das der Grund dafür, daß es so viele rabenschlechte Opernlibretti gibt. Es gibt eigentlich nur drei wirklich tolle Librettisten, das sind Lorenzo da Ponte, der den Don Giovanni oder Così fan tutte etc. geschrieben hat, dann Arrigo Boito der unter anderem den Otello für Verdi geschrieben hat und Hugo von Hofmansthal, der den Rosenkavalier und die Ariadne auf Naxos geschrieben hat. Das waren Profis, die wußten, was sie taten oder Dichter, denen man nix über die Kraft der Poesie sagen mußte. Der Rest aber...
 
 
So kann man Mozart durchaus auch mal anbieten; Sie werden es sicher mögen...
  
Man saß damals übrigens nicht in Reihen, man aß, man wandelte, man plauderte und oben auf der Bühne sangen sich die Sänger die Seele aus dem Hals. Bis zu Mozart übrigens stocksteif, weil: was soll ich groß schauspielern, wenn eh kein Schwein zuschaut?! Auch große Komponisten wie Lully oder Händel litten darunter, daß die Sängerinnen und Sänger sich in der Zeit steif vorne hin stellten und sangen und fertig. Das hing natürlich auch ein bißchen mit den Inhalten zusammen: bis Pergolesi (dessen köstliche Oper der kleinen Leute „La serva padrona“ in Frankreich geradezu einen Krieg entfachte zwischen denen, die eine Oper nur auf hohen, hehren Stelzen wollten, mit Göttern, Herkules etc pp und denen, welche die Oper zu den Menschen wie Du und ich holen wollten) und Mozart, mehr oder weniger, hat man ja nur die große Mythologie auf die Bühne gestellt, da hagelte es Götter über Götter von der Bühne, deren Würde sich nicht mit Komik oder Unterhaltung gepaart hätte. Und im Barock hat man aus jeder Oper eine Ausstattungsorgie gemacht, gegen die wir heute arme Stümper sind.
Ein Beispiel aus Düsseldorf:
Jan Wellem, der hat in zweiter Ehe Anna Maria de Medici geheiratet und die hat Düsseldorf sofort umjepflügt, aber hallo! Man weiß von einer Opernaufführung 1696, wo die Düsseldorfer so richtig ins Volle jekegelt haben: Es geht in der Oper um die Göttin der Jagd, et Diana - vermutlich mit einer Sängerin aus Neuss besetzt, denn im Schützenverein sind die Neusser absolute Weltspitze!
Um die Jagdoper aufzuführen, haben die Düsseldorfer eine schwimmende Bühne in den Rhein gebaut, vom Feinsten sage ich Ihnen. Dagegen ist die Bühne der Festspiele auf dem Bodensee in Bregenz ein Souffleurkasten. Also: auf der Bühne sind die Gäste, die Göttin Diana ruft zur Jagd, da treiben die Jäger 300 Hirsche in den Rhein, die sie in dem Waldstück am Ufer „geparkt“ hatten. Den ersten Hirsch darf die Fürstin erlegen, den Rest erledigt die Gesellschaft. Dann geht die Oper weiter - Publikum und Akteure sind weiterhin alle auf der Bühne -, als sich plötzlich aus dem Boden der Bühne ein Tisch erhebt, auf dem für 400 Gäste eingedeckt ist. Damit's ein lebendiges Bild gibt, springen jetzt noch ein paar Hundert Hasen und Kaninchen vom Tisch runter und schwimmen ans sichere Ufer, nach Neuss natürlich. Dann setzt sich die illustre Gesellschaft an den Tisch und spachtelt, wat dat Zeuch hält. Dann noch ein Feuerwerk und dann ins Bett, Verzeihung: Himmelbett!
 

 So, das wärs für heute, liebe Musikfreunde. Am kommenden Dienstag hätt´ ich dann noch ein kleines Stückerl über Salzburg für Sie.

Bis dahin
– habe die Ehre!
Ihr
Konrad Beikircher
 
Redaktion: Frank Becker