Die Tasse

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Die Tasse

Die Frieda die ja bekanntlich mein Lebensmensch ist, obwohl sie in Wirklichkeit ganz anders heißt. Aber das macht ja nichts Die Frieda ist ja eine resolute lebenstüchtige aktive Frau. Ich dagegen bin mehr oder weniger aggressiv gehemmt. Das hat man jetzt herausgefunden. Was tut man nicht alles für die Wissenschaft. Und die Dialoge, die sich zwischen uns abspielen, bestehen in der Hauptsache aus Frage und Antwort. Das heißt, die Frieda fragt und ich antworte. Wenn ich zum Beispiel mal eine Tasse fallen lasse, fragt die Frieda: Was ist passiert? Und ich antworte: Nichts. Dann fragt die Frieda: Was heißt nichts? Und ich antworte: Nichts Besonderes. Mir ist eine Tasse aus der Hand gerutscht. Mach nur so weiter. Das ist jetzt schon in einer Woche die zweite Tasse. Ich hab´s ja nicht mit Absicht getan. Und sone Tasse ist ja auch kein Kunstwerk. Dann kaufen wir eben ne neue. Dann werden wir wohl bald aus der Hand trinken. Ich hab doch gesagt, dann kaufen wir eben ne neue. Das ist doch keine Einstellung, dann kaufen wir eben ne neue. Also manchmal denke ich, ich habs mit nem kleinen Kind zu tun Geht was kaputt, macht ja nix. Ist ja nicht so wichtig. Warum schmeißt du nicht gleich das ganze Porzellan auf den Boden?! War doch nur Zwiebelmuster. Das ist doch ganz gleich. Worüber ich mich ärgere, das ist diese absolute Gleichgültigkeit. Man kann doch mal Pech haben. Sie ist mir halt aus der Hand gerutscht. Ich rege mich nicht über die Tasse auf, sondern über deine Haltung. Ich kann's ja auch nicht ändern. Das hör ich nun schon seit dreißig Jahren, ich kann´s nicht ändern. Ich bin eben so, man muß mich eben so nehmen, wie ich bin. Das hat doch nichts mit der Tasse zu tun. Das hat sehr viel mit der Tasse zu tun. Wenn jetzt, sagen wir mal, die Tasse wenigstens noch von Biegerknuud und Achterblaad gewesen wäre, dann wollt ich ja gar nichts sagen, aber Zwiebelmuster.

Also, ich kann es nicht mehr hören, dieses Es war doch nur, es ist doch nur, man braucht es ja nicht so ernstzunehmen, und dann wird noch ein Witzchen gemacht und der Herr geht zur Tagesordnung über. Vorige Woche zum Beispiel, was war vorige Woche, da war's ein Teller. Ne Schüssel. Ne Schüssel, noch schlimmer. Aber wir haben doch sechs Schüsseln. Du hast anscheinend wieder kein Wort kapiert von dem, was ich eben gesagt habe. Was habe ich eben gesagt? Du hast eben gesagt, daß du, also, daß du ..., also, das mit der Tasse. Ich habe eben gesagt, und ich sag das jetzt hoffentlich zum letzten Mal, daß es mir auf eine Tasse mehr oder weniger nicht ankommt, sondern daß mir deine grundsätzliche Haltung dazu allmählich auf die Nerven geht. Du solltest dir lieber mal ein paar Schuhe anziehen, damit du hier nicht in die Scherben trittst, das halte ich nämlich für viel schlimmer. Lenk jetzt bitte nicht ab, du mußt endlich mal anfangen erwachsen zu werden. Ich würde mir ja wirklich mal wünschen, dir würde auch mal sone Tasse aus der Hand rutschen. Das sind ja feine Wünsche, die du da hast, nur gut, daß ich das weiß. Nein, nein, ich meine ja nur ..., öh, da würde ich zum Beispiel völlig anders drauf reagieren. Du? Du würdest ja nicht mal merken, wenn ich eine Tasse fallen lasse. Doch. Ich würde dann nämlich auch eine Tasse nehmen, sie fallen lassen, und dann wären wir quitt. Weißt du was, da ist doch noch dieses alte, schon gesprungene, ich geb sie dir, du läßt sie fallen und alles ist gut. Also also, also sowas Raffiniertes hab ich doch mein Lebtag noch nicht gesehen, bei dir ist wirklich Hopfen und Malz verloren. Aber wenn du unbedingt alles kaputtmachen willst, bitte schön, das kann ich auch. Das kann ich auch!!!



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Illustration stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung