Dreikampf um ein Drehbuch

„Mondlicht und Magnolien“ von Rion Hutchinson im Schauspiel Wuppertal

von Martin Hagemeyer

v.l.: Philippine Pachl, Thomas Braus, Miko Greza, Stefan Walz, von oben:
Erdnüsse - Foto © Christoph Sebastian

Dreikampf um ein Drehbuch
 
Mondlicht und Magnolien. Von Rion Hutchinson
Eine Film-Komödie als neues Stück beim Schauspiel Wuppertal
 
 
Regie: Johannes Klaus - Bühne und Kostüme: Tobias Kreft - Dramaturgie: Susanne Abbrederis - Fotos: Christoph Sebastian
Besetzung: David O. Selznick: Stefan Walz  - Ben Hecht: Thomas Braus - Victor Fleming: Miko Greza - Miss Poppenghul: Philippine Pachl
 
Drei Männer raufen sich zusammen: So vielleicht ließe sich knapp auf den Punkt bringen, worum es geht in „Mondlicht und Magnolien“, dem neuen Stück im Programm des Schauspiels Wuppertal. Schauplatz: Ein Büro im Hollywood des Jahres 1939. Mission: Verfilmung des Bestsellers „Vom Winde verweht“. Problem: Es gibt kein Drehbuch. Und die Einzelkämpfer, zwecks Abhilfe zum Teamwork verdammt: Der Produzent, der Regisseur, der Autor.
So besehen, kann die Inszenierung von Johannes Klaus Spaß machen: als Kammerspiel im engeren Sinn. Diese sehr unterschiedlichen Männer sind nämlich für sechs Tage im Büro von Produzent David O. Selznick (gespielt von Stefan Walz) quasi eingesperrt, um aus dem Tausend-Seiten-Wälzer ein Drehbuch zu erkämpfen – mit viel Streiten, Kürzen und wildem Improvisieren. Einzige Verbindung zur Außenwelt ist die Sekretärin, Miss Poppenghul (Philippine Pachl), deren Hauptaufgabe die Versorgung der drei mit Bananen und Erdnüssen ist.
 
Eigentlich könnte man natürlich fragen, warum ein Stadttheater, das sich gerade eine Handvoll größere Produktionen im Jahr leisten kann, sich für eine Boulevardkomödie dieser Art entscheidet, wie man sie man anderswo zudem rasanter sehen könnte. So aber ist es doch vergnüglich, den Kollegen wider Willen zuzuschauen, wie sie sich zähneknirschend arrangieren und Tag und Nacht mit einigem Körpereinsatz eine brauchbare Filmversion zusammenschreiben.
Als da wären: Film-Autor Ben Hecht – er hat viel Erfahrung in der Filmwelt und ist bei Thomas Braus ein Routinier mit Hang zum Zynismus. Drehbücher müssen möglichst trivial sein, um dem Publikum zu gefallen, und Scarlett O'Hara ist als Heldin für ihn ein „Flittchen“ mit einer „verkommenen Moral“. Victor Fleming, frisch engagierter Zweit-Regisseur, hält Hecht für einen weltfremden Schreiberling, und Miko Greza zeigt ihn als Praktiker mit Neigung zu Wutausbrüchen. Vor allem aber mit komischen Einlagen beim Improvisieren fürs Drehbuch: Kurzerhand erklimmt Greza den Schreibtisch, stirbt oder liegt gequält in den Wehen – was tut man nicht alles für die Kunst. 
Dreh- und Angelpunkt des Stücks ist jedoch Produzent David O. Selznick, und eigentlich ist das ganze Stück wesentlich seine Geschichte: Nicht nur der enorme Erwartungsdruck für die Bestsellerverfilmung lastet auf ihm; auch sein mißgünstiger Schwiegervater und Vorbehalte gegenüber seiner jüdischen Herkunft setzen ihm zu.

 
v.l.: Philippine Pachl, Stefan Walz, Thomas Braus - Foto  Christoph Sebastian
 
Und hier kommt heute ein Regieeinfall zum Tragen, der Selznicks Sonderstellung betont und zudem typisch scheint für die ganze Inszenierung: Im laufenden Geschehen erstarrt er nämlich urplötzlich mitten in der Bewegung, und Walz muß über lange Minuten hinweg komplett reglos verharren. Für seine Rolle ist diese Quasi-Abwesenheit deshalb so wichtig, weil die beiden anderen sich erstmals über ihn austauschen können: „Er steht allein gegen den Rest der Welt.“
Und typisch für die Inszenierung ist diese irreale „Ausschaltung auf Zeit“, weil sie als Mittel ja deutlich an das Medium Film erinnert. Genau wie so vieles an diesem Abend: Da greifen die Figuren gern schon mal zur ganz großen Geste, Victor Fleming schwingt die Amerikaflagge, und Philippine Pachl als Sekretärin Miss Poppenghul bringt leinwandtauglich die Haare zum Wehen – mit dem Ventilator. Selbst daß die einzige Frau des Stücks ansonsten nur als Fleisch gewordenes Tipsen-Klischee herhalten muß, läßt sich da als fast schon historisches Zitat rechtfertigen.
 
Alles in allem: Ein komischer Dreikampf mit dem Mut der Verzweiflung – aus der Welt des Films und voll mit Anspielungen auf sie.
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de