Leise Töne

„Kalender Girls“ – Komödie von Tim Firth in Theater im Tanzhaus Wuppertal

von Frank Becker

v.l.: Inez Timmer, Safak Pedük, Sabine Gruß, Angela H. Fischer, Martina Anhang, Ursula Wüsthof

Leise Töne
 
„Kalender Girls“ – Komödie von Tim Firth
 
Mit: Sabine Gruß (Annie) – Angela H. Fischer (Chris) – Martina Anhang (Ruth) – Inez Timmer (Jessie) – Safak Pedük (Cora) – Ursula Wüsthof (Celia) – Ilka Schäfer (Marie) – Lesley Jennifer Higl (Brenda/Lady/Elaine) – Marc Gruss (John/Rod) – Andreas Strigl (Lawrence/Liam)
Inszenierung: Kristof Stößel - Kostüme und Ausstattung: Kerstin Faber
 
Wie bekommt man ausreichend Geld zusammen, um für die Krebsstation des örtlichen Krankenhauses ein ordentliches Schlafsofa anschaffen  zu können, damit Verwandte von Kranken bei ihren Lieben übernachten können? Die Frage stellt sich für Annie (Sabine Gruß) und ihre Freundinnen vom Country Club in Mapeley/Yorkshire vor ernstenm Hintergrund, als Annies Mann John (sympathisch zurückhaltend: Marc Gruss) an Krebs erkrankt und schließlich daran stirbt.
Der Verkauf des jährlichen Club-Kalenders mit regionalen Brücken oder Kirchen wird wohl kaum dafür reichen. Da kommt die zupackende Chris, 54 (sympathisch: Angela H. Fischer) auf eine pikante Idee: sie und die anderen sollten sich – die Lebensjahre und Falten hin oder her – für einen Pin Up-Kalender der etwas anderen Art unbekleidet, dennoch an den „entscheidenden Stellen“ dezent kaschiert, fotografieren lassen. Erste, jedoch nur leise Bedenken der noch trauernden Annie, 46, von Schnapsdrossel Celia, 51? (was für ein Organ!: Ursula Wüsthof), der sexy Cora, 48 (Safak Pedük), der lebensklugen Jessie, 64 (Inez Timmer, s.u.) und der alterslosen, etwas schüchternen Ruth (Martina Anhang) sind schnell überwunden, denn das Projekt hat immerhin auch seinen Reiz: „Wann sollen wir SIE auspacken, wenn nicht jetzt?“ Zu überwinden sind auch die Widerstände eines Club-Komitees und der bärbeißgen Club-Vorsitzenden Marie (Ilka Schäfer).
 
Nun ist Nacktheit auf der Bühne eine delikate Angelegenheit, die mit Fingerspitzengefühl behandelt - oder sollte man sagen angefaßt - werden will, damit sie nicht zur Nudität wird. Das Stück selbst machte den feinen Unterschied im Text mehrfach zum Thema: Akt anstatt nur nackt. Kristof Stößel ist in seiner Inszenierung gelungen, genau das zu erreichen und es sogar trotz gezeigter Haut aus dem Mittelpunkt zu rücken, sondern mit den eher leisen Tönen und dramatischen Momenten zu punkten. Womit das stille Leiden Johns gemeint ist, die Reflexionen der Damen über ihr Leben und die tief gehende moralische Auseinandersetzung zwischen Chris und Annie. Tiefgang und intellektueller Witz halten sich die Waage, was der im Grunde nur kurzfristigen wenn auch ansehnlichen Nacktheit und etwas derberen Textpassagen sogar jede aufgesetzte Pikanterie nimmt. Das wirkt unter dem Sichtschutz von (wie passend) Berliner Ballen und Küchensieben, Wollknäuelen, Blumen-Arrangements und Weihnachtspäckchen vor den charmanten Blößen leicht und selbstverständlich.
 
Nach etwas zähem Einstieg kam das Stück, das einer wahren Geschichte folgt und schon erfolgreich mit u.a. Helen Mirren verfilmt wurde, in Fluß – im Grunde nicht mehr als eine sich logisch entwickelnde Kette von Szenen ohne zwingenden Handlungsstrang. Kleine Unebenheiten wurden unauffällig überspielt und das große Bühnenbild fehlte letzten Endes nicht wirklich. Flott und humorvoll gaben auch die „Nebendarsteller“ Lesley Jennifer Higl (witzig als Referetin Brenda/Lady/Schlampe Elaine) und Andreas Strigl (Fotograf Lawrence/Reporter Liam) dem Stück die Würze. Ausgezeichnet ausgewählt sind die Musikeinspielungen, schade hingegen ist das Fehlen eines Programmzettels (wenn schon nicht Heft) mit den grundlegendsten Informationen zu Stück und Inszenierung. 
Ein bewegendes musikalisches Glanzlicht setzte Inez Timmer mit charaktervoller Stimme in ihrer beeindruckend souveränen Gesangseinlage. Die bildschöne Safak Pedük punktete mit Geschmeidigkeit und Eleganz in den Tai Chi und Tanz-Szenen und Martina Anhang holte Punkte vor allem von den Damen im Saal mit ihrer Abrechnung mit der Schlampe Elaine: Zustimmung und Anerkennung.
Ein spürbar zufriedenes Publikum mit zu etwa 80 Prozent weiblichem Anteil, darunter Mutter und Tochter Bettina Laue-Rieth und Beke Rieth (ein Theater-Abend als Geburtstagsgeschenk - mal eine gute Idee), zeigte sich höchst amüsiert und mit Niveau gut unterhalten.
 
Weitere Informationen: www.tanzhaus-wuppertal.de  -  ks-entertainment.de