Bestsellerfressen

„Das Beste an Deutschland“ von Hrsg. Florian Langenscheidt

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Aaaaaaaahhhhh! Oooooooohhhhh!
 
„Das Beste an Deutschland“
von Hrsg. Florian Langenscheidt
 
 
Liebe Leser!
Mit der Liebe ist das immer so ’ne Sache. Speziell mit der erwachsenen. Sie soll ja leicht neurotisch sein. Deshalb hatte Gustav Heinemann sei­nerzeit auch sinngemäß gesagt: „Meine Frau reicht mir da!“
Egal. Ausnahmezustand ist die Liebe allemal. Jetzt sind die Deutschen im Normalfall schon schwer zu ertragen. Im Ausnahmezustand aber ...
Aber da wollt’ ich gar nicht hin; is’ auch viel zu kompliziert. Zumindest für so ’n Doofmann wie den Langenscheidt. (Mein Gott, ist der Mann schön! So schöne Haare! So ein feines Gesicht! Mein Gott, ist der Mann schön!) Bleiben wir also direkt bei der infantilen Liebe: Laut Dr. Sigmund Freud, liebe Leser, ist die kindliche Libido vor allem eins: „polymorph pervers“. Und genauso sieht auch bereits der Umschlag aus von „Das Beste
an Deutschland - 250 Gründe, unser Land heute zu lieben“
.
Was muß man da nun alles mitansehen?
Nu, man sieht 12 bunte Bilderchen, 12 der insgesamt 250 guten Gründe, die man auch allesamt als Aufforderung verstehen kann, so flott wie nur möglich die Koffer zu packen: Franz Beckenbauer, ’ne mittelalterliche Ritterburg, Veronika Ferres mit ihren beiden e-ons, ’nen halben ICE, ’nen Fußball, ein Bier, ’ne Brezel und das Brandenburger Tor und irgend’nen VW. Und die unvermeintliche sog. Dresdner Frauenkirche, ’nen Leuchtturm und ’n Rauhaardackel.
’nen Leuchtturm und ’n Rauhaardackel! Sag ma ...
Das Beste an „Das Beste an Deutschland“ ist aber sein Untertitel „250 Gründe, unser Land heute zu lieben“. Der Franzose würde ja sei­nen rostigen Eiffelturm neh­men, vielleicht noch ’n Froschschenkel und ’nen schimme­ligen Käse, und quer drüber dann „LA FRANCE“ protzen; wenn’s hochkäme noch „Toute la France“. Fini, rien ne va plus! Nur der liebe Deutsche kommt auf die Idee, im Titel schon die Rampe raus zu kramen und wild drauflos zu selektieren: 250 Gründe! Super, ganz toll! 250 Stück! Haben die andern übrigens garantiert nicht! Zum Beispiel ’n Rauhaardackel! Gut, einen Leuchtturm hat wirklich nicht jeder. Und so einen wie den Langenscheidt schon mal gar nicht. (Mein Gott, ist der Mann schön!)
Das Beste aber an „250 Gründe, unser Land heute zu lieben“
ist das humpelnde „heute“ mitten im Titel, das dem Langenscheidt
- und so ist das nun mal - natürlich der Hitler da reingehumpelt hat. Hitlerhitlerhitlerhitlerhitlerhitlerhitler! Immer wieder dieser Scheißhitler! Scheißescheißescheiße aber auch!

Ach, ist das nicht herrlich, liebe Leser? Jedesmal, wenn so ein armes, williges Deutschländerwürstchen voller Stolz anschwellen will, hopst ihm ’n kleiner Adi aufe Eier und macht „knacks“, den guten deutschen „Hitlerknacks“. Ha! Tut mir leid, Herr Langenscheidt! (Mein Gott, sind Sie schön!) Da versaubeutelt Ihnen der kleine Adi 60 Jahre danach immer noch Ihre geile deutsche Suppe. Is’ doch unglaublich, oder?
Worauf wollte ich eigentlich hinaus, Herr Langenscheidt (mein Gott, sind Sie ...) Ach ja. Sie schreiben im Vorwort:
„Dieses Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Deutsch­land. Dies Buch stellt keine Forderungen. Es freut sich an dem und den Besten.“
Ah! Wie schön Sie das formuliert haben! Dann schreiben Sie noch dies und das und das und dies und „Wir sind Deutschland“, und dann:
„Es enthält Gründe, Deutschland zu lieben, wie es ist ..“ Moment, liebe Leser, wir haben gleich fertig. Der Florian, der braucht halt immer ein wenig, bis er ... Komm, Flori, mach hinne! Nur noch 2 Zeilen!
So, jetzt kommt’s: „Nur der kann andere lieben, der sich auch selbst liebt. Selbst-Liebe statt Selbst-Hiebe.“
Aaaaaahhhhh! Booaahhhh! Aaaahhh, war das schööön!

Hey, Langenscheidt! Hallo! Bist Du noch da? Ich mein: so ganz?
Mann, du hast Recht. Du bist Deutschland! Aber voll!
Aber du bist nicht nur Deutschland!
Du bist ja auch schön.
Ja, schön bist du.
Schön doof.
Und ausgestattet mit ’nem gewaltigen Knall in der Murmel.
Gute Nacht.

Nachtrag:
Aus dem Vorwort:
„Mitgeholfen beim Zusammentragen (der 250 Rau­haardackel, Beckenbauer und Leuchttürme) haben viele Menschen aus ganz Deutschland. Alte und Junge, Gebildete und nicht ganz so Gebildete. Und die gesamte BILD-Redaktion mit über 800
Mit­arbeitern/-innen.“

Noch Fragen?

(Mai 2006)