Das Ende des Großmachttraums

Cornelius Ryan beschreibt in „Der letzte Kampf“ die Entscheidungsschlacht 1945 um Berlin

von Robert Sernatini

Das Ende des Großmachttraums
 
Cornelius Ryan beschreibt in
„Der letzte Kampf“
die Entscheidungsschlacht 1945 um Berlin
 
 
„Dies ist ein sehr erregendes, ein sehr menschliches und
ein sehr wichtiges Buch.
Cornelius Ryan verdient besondere
Anerkennung dafür,
daß er dem anständigen Deutschen
Soldaten Gerechtigkeit widerfahren läßt. Und vor allem auch
dafür,
daß er das tödlich bedrohte Leben von Berlinern
so klar und so bewegend
eingefangen hat.“
(Willy Brandt)
 
Als am 16. April 1945 um vier Uhr morgens die geschundene russische Armee zum entscheidenden Sturm auf die von der NS-Führung zur Festung erklärte deutsche Reichshauptstadt ansetzt, beginnt für die Berliner in ihrer fast völlig zerbombten Stadt, deren Infrastruktur erstaunlicherweise dennoch weiterhin funktioniert, eine Apokalypse. Zwischen den verbissen teils bis zur letzten Patrone ihr Stellungen verteidigenden deutschen Soldaten und den per Parole ohne jeden Pardon auch gegen die Zivilbevölkerung angreifenden Russen nahezu zerrieben, ging es – so Cornelius Ryan in seinem Vorwort 1966 – nur noch darum: „… das Ende dieses Krieges zu überleben. Essen war wichtiger geworden als Lieben, Eingraben ehrenvoller als Kämpfen, Durchhalten militärisch richtiger als Siegen.“

Die amerikanische 9. Armee hatte nach den letzten Flächenbombardements ihren Vormarsch 50 km vor Berlin gestoppt, hatte sich zur Elbe zurückgezogen und überließ den Endkampf, die Stadt und die Bevölkerung den anstürmenden Russen.
Während deutsche Soldaten von ihren Offizieren in sinnlose Straßen- und Häuserkämpfe gehetzt werden und andere Offiziere beginnen, sich solchen Befehlen zu widersetzen, erschießt die SS bis in die letzten Minuten Befehlsverweigerer und Fahnenflüchtige. Am 2. Mai 1945, zwei Tage nachdem sich der Diktator Adolf Hitler durch Selbstmord der irdischen Gerechtigkeit entzogen hatte, kapituliert die ausgeblutete Festung Berlin. Am 8. Mai legte die verbliebene Wehrmacht im gesamten Deutschen Reich bedingungslos die Waffen nieder. Der von den Nationalsozialisten angezettelte Krieg war zu Ende, das 3. Reich hatte aufgehört zu existieren.
Für kurze Zeit herrschte nach den fürchterlichen letzten Gefechten und der Eroberung de Stadt durch die russischen Truppen in weiten Teilen Berlins Gesetzlosigkeit. Plünderungen durch russische Soldaten, Raub und Totschlag versetzten Berlin und vor allem ungezählte brutale Vergewaltigungen die ohne männlichen Schutz überlebenden Frauen und Mädchen Berlins in Angst und Schrecken. Friedenspreisträger Lew Kopelew (1912-1997) hat diese Auswüchse in seinem Buch „Aufbewahren für alle Zeit“ eindrücklich beschrieben. Im Mai 1945 lebten fast dreimal so viele Frauen als Männer in Berlin - die meisten Männer waren in Gefangenschaft geraten oder im Feld geblieben.
Doch Cornelius Ryan, der dieses düstere Kapitel der Gewalt nicht ausspart, berichtet auch von der anderen, mitunter sogar freundlichen Seite der Eroberer, deren Einmarsch zwischen den Trümmern vor allem von den letzten noch in Verstecken überlebenden deutschen Juden herbeigesehnt wurde. Doch die bis heute anhaltende verständliche Abneigung der Berliner gegenüber Russen rührt aus der schrecklichen traumatischen Erfahrung ihrer Mütter, Großmütter und Schwestern. Die Erinnerung an den Ruf Frau, komm!“ ist eine ewige Narbe auf den Seelen.

 
„In seinem erstmals in den 60er-Jahren publizierten Buch schildert Cornelius Ryan eindrucksvoll die Chronologie der letzten Schlacht um Berlin. Dabei gibt er Beteiligten aller Seiten Stimme und Gesicht: vom Berliner Milchmann bis zum Sowjetmarschall, vom GI bis zum Heeresgruppen-Oberbefehlshaber, von den Verfolgten des Hitlerregimes bis zu den Angehörigen der braunen Prominenz.“ (Verlagstext)
Cornelius Ryan, im Zweiten Weltkrieg Kriegsberichterstatter für die US-Armee stützt sich für das Buch auf Aussagen von Zeitzeugen jeglicher Provenienz sowie auf Quellen aus deutschen und internationalen Archiven. Seine Recherchen bei zivilen und militärischen Zeitzeugen zeichnen ein genaues, vor allem die menschliche Komponente berücksichtigendes Bild der damaligen Ereignisse. Ein Buch, das durch das Aussterben der Zeugengenerationen von besonderer Wichtigkeit ist. „Der letzte Kampf“ liegt 2015 erstmals wieder auf Deutsch und mit neuem Vor- und Nachwort vor. Es ist ein Buch gegen das Vergessen. Lesen Sie es.
 
Cornelius Ryan (1920–1974) wurde durch seine Bücher „Der längste Tag“ (The Longest Day, 1959) und „Die Brücke von Arnheim“ (A Bridge Too Far, 1974) berühmt. Beide Bücher wurden mit großem Erfolg verfilmt: „The Longest Day“ 1962 von Ken Annakin, Andrew Marton und Bernhard Wicki und „A Bridge Too Far“ 1977 von Richard Attenborough.
 
Cornelius Ryan – „Der letzte Kampf“ (Berlin 1945)
Aus dem Englischen von Helmut Degner. Geleitwort von Willy Brandt. Mit einer neuen Einführung von Johannes Hürter.
© 1966/2015 Droemersche Verlagsanstalt Knaur / Konrad Theiss Verlag, 480 Seiten mit 127 s/w Abb., 3 s/w u. 2 farbigen Karten, Bibliographie, Namens- und und Sachregister, 15,5 x 23 cm, geb. mit SchU - ISBN: 9783806230260
29,95 €
 
Weitere Informationen: www.theiss.de/