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„Die Glücksmargerite“ - von Norbert Blüm

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Was bin ich?
„Die Glücksmargerite“
von Norbert Blüm
 

Meine Damen und Herren!
Norbert Blüm war mal Bundesminister, ein angeblich knuddeliger und drolliger Typ, eine ehrliche Haut wie Richard v. Weizsäcker, Joschka Fischer oder der Köter von Rudolph Moshammer. Er hat viel Grausames durchgemacht, aber noch mehr Grausames geschrieben; unter anderem 1997, auf dem Zenit seiner Schaffenskraft, ein Kinderbuch. Jaaah, der knuddelige und drollige Nobby schrieb ein knuddeliges und drolliges Kinderbuch mit dem Titel „Die Glücksmargerite“. Dort findet man unter der Überschrift „Die gut Tat“ folgende – sagen wa mal neutral ausgedrückt –folgende Geschichte:

„Hoch im Norden sprudelten seit tausenden von Jahren auf der Felsinsel Thinghelland die Geysire. Und einmal im Jahr, pünktlich um Mitternacht des dreizehnten Monats, brach der größte Geysir aus – eine Urkraft schleuderte eine schwarze, übel riechende Fontäne aus der Unter- in die Oberwelt: das flüssige Gift des Bösen. Und wie jedes Jahr wurden sie alle davon angezogen, die dem Schlechten verfallen waren:
Im Morgengrauen des dreizehnten Tages des dreizehnten Monats wirbelte ein Sturm die heimtückischen Trolle durch die Luft herbei.
Teufel aus der Hölle schwammen im Lavastrom ans Licht, süchtig nach bösen Taten und Elend. Die Hexen vom Blocksberg flogen auf düsengetriebenen Besenstielen den Geysirtanz des Schreckens.
Und das ganze Hexengemenge explodierte mit einem furchtbaren Knall und zerplatzte in einzelne Körperteile:
Arme, Beine, Füße, Rumpfteile; Hände, Finger, Augen, Ohren, Nasen fielen wie Hagelschauer auf den glitschigen, gelblichen Inselboden. Die Hexenmünder, die überall herumpurzelten, schrien wie irre und erfüllten die Luft mit ohrenbetäubendem Lärm.”

Nicht vergessen: Es handelt sich hier immer noch um ein … Kinderbuch!
„Aus den Hexenarmen wurden giftige Schlangen,
aus den Hexenbeinen giftige Leguane,
aus den Hexenohren giftige Skorpione,
aus den Hexenaugen giftige Quallen,
aus den Hexenfingern giftige Lurche
und aus den Hexennasen giftige Krebse.
Und im Morgengrauen des dreizehnten Tages
(liebe Kinder,) warf das lila schimmernde Meer eine schreckliche Armee an das Ufer: Hyänen, die an Stelle ihrer Läufe Räder besaßen, Skorpione, die ihre Scheren mit Panzerfäusten bestückt hatten, Krokodile, deren Schwänze keine Schwänze mehr waren, sondern Raketen als Abschussbasis dienten, riesige, giftige, grüne Todesspinnen, die auf Teleskopbeinen Jagd auf alles machten, was sich bewegte.”

Wie gesagt: ein Kinderbuch, handelsübliche Gutenacht-Geschichten für 7-12Jährige!

„Sie waren alle aus einem einzigen Grunde hergekommen:
Sie wollten um Mitternacht aus dem großen Geysir trinken, um sich wieder mit der bösen Energie aufzuladen.
Eine Stunde vor Mitternacht rückte dann eine Prozession von dreizehntausenddreizehnhundertunddreizehn weiß schim­mernden, kopflosen Totengerippen an. Sie erreichten unter dem Absingen von wüsten Liedern den Festplatz. Dreizehn­tausenddreizehnhundertunddreizehn phosphoreszierende Schädel schwebten über ihnen in der Luft und stöhnten unaufhörlich.”

Im Irak soll Blüms Ding übrigens ’n Riesenrenner sein!
„Die Skelette griffen sich die Totenschädel, hielten sie bereit, um sie mit dem Gift aus dem Geysir zu füllen, an Mitternacht. Danach kamen die Fürsten, Könige und Kaiser des Bösen. Und ganz zum Schluß die Unnennbaren aus den tiefsten Schlünden der Hölle.”
Ist es nicht phantastisch, was sich kleine Männer für große Gedanken machen können?!
„Und durch die schwarzen Wolken glänzte ein blutroter Mond.”

Szenenwechsel:
„Gerade in dieser nordischen Nacht, als das Treiben dem Höhepunkt zustrebte, begegnete ein kleines Kind der Nachbarinsel Gröndal einem jungen, abgemagerten Lamm. Weil aber kaum noch ein Blatt auf dem kargen Eiland zu finden war, ging es zum Strand und fischte mit dem Netz Algen aus dem Meer. Das Kind bemerkte, dass diese dem kleinen Schaf gut schmeckten, darum warf es das Netz noch einmal aus.“
Achtung! Jetzt kommt’s:
„Als jetzt jedoch der Fang eingeholt wurde, hing gefesselt zwischen den Algen ein wunderschöner Engel. Ein Engel! Lamm und Kind machten sich sogleich daran, den Gefange­nen von seinen feuchten Fesseln zu befreien. Erlöst und erleichtert erzählte der Engel dann, wie er in diese missliche Lage geraten war. Früher hatte er den großen Geysir bewacht, damit die bösen Kräfte zur Mitternacht des dreizehnten Tages des dreizehnten Monats nicht von der Giftfontäne trinken konnten. Der Engel war aber überlistet und unter Wasser, durch starke Zauberalgen gebunden, lange Zeit festgehalten worden. Nun fühlte er sich so geschwächt, dass er nicht wusste, wie er dem Treiben auf Thinghelland Einhalt gebieten sollte.
'Ich kann jetzt nichts gegen die bösen Kräfte unternehmen. Aber ein Mensch, der Gutes tut', meinte er. 'Bitte sag es den Menschen, damit sie an sich glauben und sich jemand findet, der das Höllenvolk in die Schranken weist.'“

Meine Damen und Herren, nur mal eben kur zwischendurch:
Ich kann verstehen, wenn Sie nicht mehr wollen. Aber der Nobby hat sein Ding mit tödlicher Sicherheit an diversen kleinen Kindern ausprobiert. Und die haben auch bis zum Schluss durchgehalten! Also bitte schön. Nur noch 3 Sätze!
„Das Kind setzte sich mit dem Lamm in das Fischerboot seiner Eltern, fuhr in die Welt hinaus und verkündete die Botschaft überall. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht: 'Ein Mensch, der Gutes tut, ist stärker als dreizehn Millionen Teufel.'
Die Armen sagten es den Reichen,
die Kleinen den Großen,
die Frommen den Gottlosen,
die Kühe den Melkern,
die Suppen den Köchen,
die Autos den Fahrern“
...usw. usw.

Ab den Suppen knallt Norbert Blüm total durch, und da ich keine Lust habe, ihm für seine Realsatire auch noch Abdruckgebühren abzudrücken, breche ich hier das Zitat ab und überlasse so Ihrer Phantasie, wie sich die Dinge auf Thinghelland wohl weiterentwickelten... Fakt ist aber, dass sich an der Vision nicht mehr großartig was ändert, also: dass das Gute, das ein Mensch täte, stärker sei als dreizehn Millionen Teufel, und sich unter Helmut Kohl ein Minister auf LSD alles erlauben konnte.
Meine Damen und Herren,
Man kann davon ausgehen, dass normale Kinder nach dieser Gutenacht­geschichte – sagen wa mal – relativ wach sind. Die anderen, die dabei einschlafen, sind eh nicht mehr zu retten. Für die Mehrheit aber, also für die, die nach dieser Nummer traumatisiert und senkrecht im Bett stehen, hat Dr. Blüm noch ne Beruhigungspille zusammengeschustert, diesmal allerdings ein Märchen!

Das Titel-Märchen mit dem Titel „Die Glücksmargerite“. Hier nur kurz die Inhaltsangabe, damit Sie Ihr Bild von Blüm nicht völlig über’n Haufen werfen müssen:
Da schlawänzelt ein frustrierter „junger Wandergeselle, ein junger Schneiderbursche“ ‘nen Feldweg lang, „versunken in Gedanken an seine untreue Liebste“, und findet im Vorübergehen die 4-blättrige „Glücksmargerite“, die früher mal ein „wunderschöner Prinz“ gewesen war, wovon dieser Schneiderbursche aber keine Ahnung hatte. Und so rupft der verlassene Jüngling mit dem Sperma-Stau die Margerite achtlos kaputt nach dem Motto: „Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich und sie liebt mich nicht...!“ Egal, jedenfalls wird bald darauf durch Hokuspokus der wunderschöne Prinz wieder ein wunderschöner Prinz – aber, wegen der abgerupften 4 Blätter, halt „ohne Arme und ohne Beine.“
Tags drauf lernt der Prinz ohne Arme, ohne Beine ein güldenes Mädel kennen, „die Gänseliesel“, ein „böser Dichter“, der auch zaubern kann, kommt des Weges und bietet den beiden einen zauberhaften Deal an: Er würde dem Prinzen wieder Arme und Beine dranquatschen, dafür kriegte er dann den ganzen Prinzen-Klunker, die Moneten und die Ländereien mitsamt den Bauern und Hornochsen. Da sagt die angehende Prinzessin:
„Auch wenn wir dann bitterarm sind - gib ihm alles, was er verlangt, damit du wieder heil am ganzen Körper wirst. Das wäre für mich das größte Glück auf der Erde.“

Meine Damen und Herren!
In anderen Ländern läßt man solche Typen wie Blüm links liegen und unter Sedativa ihre Kreise drehen. Bei uns ist so einer nebenbei jahrelang Stellvertretender Vorsitzender der CDU und Minister für Arbeit und Sozialklimbim.

(Jan. 2000)