Literatur 2015: Ein Sommer der Titanen

Irland feiert James Joyce und William Butler Yeats

von Judith von Rauchhaupt

Foto: Ireland Information

Literatur 2015: Ein Sommer der Titanen
 
In diesem Jahr treffen die wichtigsten Feiern der literarischen Köpfe Irlands zusammen.
Eine Art irische Doppelhochzeit für James Joyce und William Butler Yeats.
 
Verschiedener könnten diese beiden Männer nicht gewesen sein. William Butler Yeats und James Joyce, 1865 und 1882 in Dublin geboren, waren Zeitgenossen. Sie schlugen aber solch unterschiedliche literarische Karrieren ein, daß es vielleicht verwegen klingt, wenn Irland sie jetzt auf zwei dicht aufeinander folgenden Festivals nahezu gemeinsam feiert. Der großbürgerliche Joyce, ein Einzelgänger und Staatsverweigerer, lebte überwiegend im Ausland. Der andere, William Butler Yeats entstammte einer musischen Familie und war fest an die irische Heimatscholle gebunden.
Joyces odysseisches Werk „Ulysses“ genießt bei seinen Lesern heute kultische Verehrung, und jedes Jahr pilgern am 16. Juni Tausende Joyceaner zum Bloomsday durch Dublin auf den Spuren des Romanhelden Leopold Bloom. Aber dieses Jahr nun fällt das fast okkulte Erweckungstreiben der edwardianisch verkleideten Joyce-Anhänger zeitnah mit dem 150. Geburtstag von W. B. Yeats am 13. Juni zusammen.
 
Ein weltweites Gedenkjahr mit zahlreichen Kunst- und Literaturveranstaltungen, Lesungen und Straßenaktionen geht dann von den Orten Sligo, Gort, Coole Park und Dublin aus, wo die Inspirationsräume von Yeats lagen. Und ob die beiden Lichtgestalten der Literatur Irlands es nun gewollt hätten oder nicht, sie müssen spätestens jetzt zusammenfinden. Daß sie einander geachtet haben, steht außer Zweifel. Als James Joyce 1920 auf Einladung von Ezra Pound nach Paris zog, wurde noch im selben Jahr „Ulysses“ in den USA und Großbritannien wegen Pornographie verboten. Erschienen ist der Roman deshalb auch nicht in Irland sondern erst 1922 im Pariser Verlag Shakespeare & Co. Es waren aber die Schriftsteller jener Zeit, die Joyces furioses Werk erkannten. Die erste Auflage des Ulysses bestellte neben Ezra Pound, Ernest Hemingway und Winston Churchill auch W. B. Yeats. In diesen Jahren war er bereits ein glühender Vordenker der irischen Renaissance, schrieb Prosa, Lyrik, Dramen und Essays, die sich immer wieder mit der Naturmystik und den keltischen Wurzeln seines Landes beschäftigten. Nach der Unabhängigkeit der Republik Irland war er von 1922 bis 1928 Mitglied des Irischen Senats und wurde für seine hohe Kunst und die Verdienste um den irischen Gedanken 1923 mit dem Nobelpreis für Literatur gewürdigt. Joyce bekam ihn nie. Aber wo auch immer heute Joyce als der Erschaffer einer neuen und übergewaltigen Prosaform des 20. Jahrhunderts genannt wird, fällt im weiteren Atemzug Yeats‘ Name als größter Poet, Lyriker und Begründer einer Neugestaltung jener Epoche. Man kann sie also beide ohne weiteres im Juni 2015 gemeinsam feiern, diese Titanen der aus der übrigen Welt herausgelösten irischen Erzählkunst. Das zeigt sich auch in vielen Buchhandlungen, wo es meist eine eigene Irlandabteilung gibt. Ein Regal Landschaft, ein Regal Freiheitskampf, ein Regal Literatur, ein Regal Yeats, ein Regal Joyce, ein Regal Beckett.
 
Und auf alle mag zutreffen, was Joyce einmal zu einem Freund sagte: „Ich habe so viele Rätsel, Anspielungen und abstruse Denksportaufgaben in den Ulysses eingebaut, daß die Professoren Jahrhunderte brauchen würden, um herauszufinden, was ich nun genau damit gemeint habe. Das scheint mir der einzige Weg zu sein, sich die Unsterblichkeit zu sichern.“ Und das ist zweifellos beiden Dichtern gelungen.


© Ireland Information
 
 
Irland Information, Frankfurt, Tel.: 069-66 800 950, www.ireland.com, info.de@tourismireland.com