Hüsch is back in town

Eine Hagenbuch-Geschichte zu seinem 90. Geburtstag

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Hüsch is back in town

Hagenbuch sagte der liebe Gott
Eines Tages
Als ich ihm wieder mal die Schuhe zuknöpfte
Hagenbuch läßt im Himmel überall verkünden
Hüsch is back in town
Also von mir hat er kein Wort erfahren
Sagte ich
Von mir auch nicht sagte der liebe Gott
Aber er läßt überall auf den Jahrmärkten
Plakate aufhängen
Und Handzettel verteilen
Und stellt sich in den Kneipen auf einen Tisch
Und trägt dort Geschichten vor
Deine eigenen oder seine eigenen
Oder deine
Die du für ihn oder er für dich oder ihr
Beide zusammen
Für uns verfaßt habt
Gleichviel
Er hat einen Riesenzulauf
Er liest sich selbst vor
Fast jeden Tag seitdem er bei uns ist
Seit wann sagte ich
Seit sechs Jahren sagte Er
Wir haben ihn in einem Ruderboot auf
Dem Rhein gefunden
Dort lag er in seinen Lumpen
Hatte die Ruder wohl weggeworfen und
Darauf verzichtet
Und trieb auf dem Fluß dahin mit dem
Blick nach oben
Am Aschermittwoch
Es wird das Herz gewesen sein sagte ich
Oder ich sagte der liebe Gott
Ich wollte ihn nicht verkommen lassen
Jetzt sieht er wieder so aus wie früher
Auch verwahrlost aber gekonnt sagte
Der liebe Gott
Möchtest du dein anderes Ich sehen
Ich weiß nicht sagte ich
Ich weiß schon wo er sich herumtreibt
Es gibt da einen kleinen Jahrmarkt den er bevorzugt
Die anderen Märkte sind für ihn zu ungeheuer
Da geht er unter
Und er setzt ja was voraus
Er kann sogar die Texte auswendig
Nicht wie du der alles abliest
Ich lese ja nur ab damit es nicht so sehr nach Kunst
Aussieht
Nach Schatzkästlein
Rede dich nicht raus sagte der liebe Gott
Manchmal bist du ganz schön faul
Aber er spricht völlig frei
In die Luft hinein
Und er redet genauso schnell wie du
Und geht hinterher mit dem Hut rund
Und sein Hund beißt die Leute ins Bein
Wenn sie nichts geben wollen
Er hat einen Hund fragte ich
Ja sagte der liebe Gott
Es ist ein Golden Red River der tut keiner Seele
Was zuleide
Er beißt auch keinen
Aber Hagenbuch feuert ihn an und sagt manchmal:
Faß!
Aber der Hund grinst als wollte er sagen
Das glaubst du doch selbst nicht
Die beiden sind unzertrennlich
Er hat schon mal sagte der liebe Gott
Das Foyer eines Viersternehotels in tausend Stücke
Geschlagen
Weil man seinen Hund nicht reinlassen wollte
Wir konnten das Schlimmste verhindern
Verbrecher hat er immer wieder geschrien
Alles Verbrecher! Pfeffersäcke! Hurensöhne!
Ich weiß nicht ob er an mich glaubt
Sagte der liebe Gott
Aber wir lieben ihn
Er hat schon oft mit Jesus im Cafe „Pilatus“ diskutiert
Über die Liebe und die Unberechenbarkeit
Über die Müdigkeit und die Sprache als Musik und
Befreiung
Über die Anmaßungen der Politiker und
Den Hochmut
Der Wissenschaftler
Zuletzt liegen sich beide immer in den Armen und
Lachen sich tot
Mir gefallen solche Gespräche sagte der liebe Gott
Wenn du das nächste Mal kommst kann man
Vielleicht
So ein Gespräch frühzeitig organisieren
Du möchtest also dein anderes Ich nicht
Sehen fragte Er
Doch schon sagte ich
Aber wenn's geht nur von weitem
Warum
Ich möchte nichts zerstören was man sich
So mühselig
Aus der Ferne aufgebaut hat
Also gut sagte Er gehen wir
Vielleicht machen wir unterwegs eine Pause
Und du liest
Mir dann etwas vor
Einverstanden?
Einverstanden.
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus „Wir sehen uns wieder“

in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung