"Wie doch die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert" - Nahmmacher und Waniek jandln und schwittern

"hei.mat" - ein Projekt in Remscheider Kunstraum "basilica"

von Frank Becker

Matthias Nahmmacher - Heiner Waniek
Foto © Frank Becker

Ergötz.lich: hei.mat


Matthias Nahmmacher und Heiner Waniek

jandln und schwittern


Eine recht leere Bühne, ein improvisierter Büroschreibtisch nebst Apfel und angegammelter Banane für die Pause darauf, zwei Stühle, ein Laptop. Eine Fußluftpumpe lehnt am Tisch.
Dada und Tuba vom Band
aus dem Off: „Wer kein Deutsch kann, kommt nicht rein!“ Dreimal. Einer (Matthias Nahmmacher) kommt rein, schaut auf einen Laptop und geht wieder. Ein anderer (Heiner Waniek) schleicht durchs wartende Publikum, setzt sich hin und reklamiert maulend den ausbleibenden Beginn. Schließlich nimmt er den selbst in die Hand: „Um nicht mit  `Ich´ zu beginnen, habe ich mit `Um´ begonnen...“


Damit tritt der sprachgewaltige Schauspieler und Wortakrobat Waniek für annähernd zwei Stunden eine ergötzliche Sprachlawine á deux los. Unter heftigem Schwittern und Jandln, punktgenau begleitet von Matthias Nahmmacher (Flötist, Improvisationsgenie und Waniek nicht nur instrumental ebenbürtig) bieten die beiden mit gelegentlichem Beckett´schem Innehalten als Estragon und Wladimir intelligenteste humorvolle Unterhaltung auf höchstem literarischem Niveau. Wenn es gelegentlich zwischendurch vom Band eingespielt passend stoibert, denkt man "Aha!" und: "Hat der Jandl doch dem Edi die Reden geschrieben!".


 
  Foto © Frank Becker

„Eile mit Feile, durch die Füste feht der Find  - Falfischbauch...“ intoniert Waniek mit Ernst Jandl und Nahmmacher feuert eine Salve durch die Flöte, während Waniek sich nach der hei.mat sehnt. Worte treten zueinander, Flötentöne und Sprache verschmelzen: „Sein ich erstaunen!“. Natürlich dürfen bei einer solchen Sprachperformance Ottos Mops (sie wissen schon: der, der kommt und kotzt) und die Eulen nicht fehlen, die Eulen nicht mehr wollen sein, ebenso wenig das „Tohuwabohuwaba“. Eine perfekte Synthese von Worten und Tönen entsteht, wobei eins das andere wird – und vice versa. Waniek entäußert sich im „Bericht über Malmö“ und Schwitters´ Klippenfischgerippe, Nahmmacher läßt im Gegenzug Sophie und das Vieh in Gestalt von Huhn und Ochse aus seiner Querflöte purzeln und intoniert auf dem Sound-Computer "The Star Spangled Banner" á la Jimi Hendrix. Dann tröten sie in Silvesterflöten. Kurios.


Loch doch, so loch doch, öch loche möch kronk...". Doch nicht immer ist glucksendes Gelächter oder Amüsement angesagt. Jandls „Wien, Heldenplatz“ (Zertretener Mann Blues), läßt vor der Gewalt des Wortes den Atem stocken: „Bald fällt ein Knochensack ins Massengrab – Dann bin ich, wo ich meine Freunde hab“. Waniek tut damit weh, das muß so sein, sonst lernt man nicht. Man kann es nicht oft genug und nicht laut genug vortragen. Aber dann kommt das Portrait eines Mädchens „Bllllond, bllllauäugig, Iirrreene!“ – und wir lachen wieder. Lachen über „Him Hanfang war das Wort“ und die Tonart in Erinnerung an Hanns Dieter Hüschs Bühnen-Harmonium. Was machen wir

 
Foto © Frank Becker
dann? Wir halten es mit Wladimir und Estragon. Wir warten.... - und stellen fest: Wie doch die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert".


Aufgeführt wurde diese außergewöhnliche, höchst ergötzliche und inspirierende Textcollage  am 13. und 14. Dezember in der „basilica“ in Remscheid-Reinshagen. Ein großer und in seiner Qualität rarer literarischer Abend. Bei entsprechender Resonanz denken die Initiatoren an eine Wiederholung.


Informieren Sie sich im Internet unter: www.kunstraum-basilica.de und www.sonorfeo.de