e.o. plauen – „Vater und Sohn“

Eine feine Schmuckausgabe im Südverlag

von Joachim Klinger

© Südverlag

e.o. plauen – „Vater und Sohn
 
Der Südverlag widmet Erich Ohser und seinen beiden
Stars „Vater und Sohn“ eine feine Schmuckausgabe
 
Wenn man verstehen will, was „Vater und Sohn“ für ein Kind der 30er Jahre – damals publizierte die „Berliner Illustrirte“ die Zeichengeschichten Erich Ohsers - des 20. Jahrhunderts bedeuteten, dann muß man die damalige Kindheit ein wenig in Augenschein nehmen.
 
Das Idealbild der durchweg strengen Erziehung war das „artige“, das „brave“ Kind, das sich zur Zufriedenheit der Erwachsenen folgsam zeigte und seine Sachen „in Ordnung“ hielt. Wilhelm Busch hat in seiner „Bubengeschichte Max und Moritz“ in der Einleitung zum Fünften Streich, der den guten Onkel Fritz einer böswillig herbeigeführten Maikäfer-Invasion aussetzte, die Postulate aus dem Kanon eines angemessenen Benehmens Erwachsenen gegenüber präzise zusammengefaßt. Höflichkeit und Bescheidenheit haben Vorrang. Wird der Bedarf an Hilfeleistung erkennbar, gilt:
 
„Gleich ist man mit Freudigkeit
dienstbeflissen und bereit.“
 
Vor dem Hintergrund dieser unumstößlichen Verhaltensregeln erscheinen die bösen Buben Max und Moritz umso deutlicher als abschreckende Beispiele für „liebe“ Kinder.
Aber der doch häufig als ärgerlich empfundene Drill, die nahezu militärischen Gehorsamspflichten führten nicht nur zur Aufmüpfigkeit, sondern auch zur heimlichen Freude an Aktionen pfiffigen Widerstandes. Solche Aktionen wurden „Streiche“ genannt, und so bezeichnet auch Wilhelm Busch die mehr oder weniger üblen Taten von Max und Moritz als Streiche.
Was die Bildergeschichten von „Vater und Sohn“ schildern, ist vergleichsweise harmlos, oft geradezu liebenswert. Solche Streiche kann man tolerieren.

Wenn ich auf meine eigene Kindheit im Ruhrpott zurückblicke, dann kann ich keine wirklichen Missetaten ausmachen, obwohl ich durchaus Kontakt zu Lausejungen hatte, die von den Erwachsenen als Rabauken bezeichnet wurden. Natürlich wurde unreifes Obst aus fremden Gärten stibitzt, natürlich wurde die Brettertür zum Stillen Örtchen neben der Dunggrube verkeilt, aber schweren Schaden haben wir keinem Menschen zugefügt.
Wir konnten uns im „Sohn“ aus der Feder Erich Ohsers (1903-1944) wiedererkennen, wenn er Unfug trieb. Denn der Effekt war nicht Bestürzung, sondern Vergnügen. Eigentlich ein Schabernack!
Streiche von Kindern und Jugendlichen waren beliebte Inhalte von Bildergeschichten in Zeitungen und Illustrierten. Dabei muß hervorgehoben werden, daß es im Ganzen – wenn man die Gegenwart zum Vergleich heranzieht – ein eher schmales Angebot an Unterhaltung gab. Die großen Illustrierten kamen aus Berlin und waren im Ruhrgebiet nur in den Händen weniger zu sehen.
 
Ein Freund meines Vaters war Zeitungsredakteur und bezog die „Berliner Illustrirte“. Wenn er sie gelesen und ausgewertet hatte, überließ er mir großzügig die Witzseite, und noch heute überkommt mich ein Wonneschauer, wenn ich an die geballte Ladung lustiger Zeichnungen zurückdenke. Die Tageszeitungen brachten mindestens in der Wochenendausgabe eine Bildergeschichte, Lausbuben-Abenteuer oder komische Erlebnisse eines eher knuffigen Typs; ich denke z.B. an den „Lausbubenkönig Kalle“ und seine Bande, an „Adamson“ oder eben an „Vater und Sohn“ in der „Berliner Illustrirten“.
Was „Vater und Sohn“ aus der großen Schar der Ulkfiguren in Bildergeschichten heraushob, waren nicht der Einfallsreichtum und der so einfache und gerade dadurch überzeugende Stil des Grafikers Erich Ohser, der sich aus politischen Gründen e.o. plauen nennen mußte. Sie wurden schlagartig Sympathieträger; Väter und Söhne identifizierten sich nur zu gern mit ihnen. Die Bilderfolgen erschienen rasch in preiswerter Ausstattung mit Pappeinband. Dreimal „50 Streiche und Abenteuer“! Meine „Vater und Sohn“-Bücher überlebten den Krieg in arg lädiertem Zustand. Das lag nicht an Bomben und Granaten, sondern an liebevoller Benutzung zusammen mit Freunden.
Sympathieträger, Identifikationsfiguren – diese Typen? „Vater“ mit kahlem Schädel, struppigen Augenbrauen und Schnauzbart, ein rundlicher, allenfalls mittelgroßer Mann? „Sohn“ – zierlich, fast pipsig mit schwarzem Wuschelkopf? Dabei wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ein andersartiges Menschenbild proklamiert: der Mann – hochgewachsen mit athletischem Körperbau, kühnem Profil, blondem kurzgeschnittenem Haar (Streichholzlänge) und leuchtenden Augen; die Frau – mütterlich wohlgeformt, das weizenfarbene Haar zum schweren Zopf geflochten usw. usw.
 
Uns Kindern war das egal. Unsere Väter waren keine Heldengestalten, und wir selbst achteten nicht auf unser Äußeres, jedenfalls nicht bis zum Eintritt in die Hitlerjugend, die eine Uniform und kurzen Haarschnitt vorschrieb.
Was war das für ein Vater, der es dem Sohn erlaubte, am Weihnachtsabend mit dem neuen Fahrrad ins Bett zu gehen! Der den schlafenden Jungen heimlich, still und leise zum Beginn der Großen Ferien aufs Land fuhr, um ihm die Überraschung des Aufwachens auf der grünen Wiese zu bescheren!
 
Gewiß, ab und zu legte er den Sohn über’s Knie und verabreichte ihm Prügel. Aber das geschah in einem verständlichen Zorn. Wir kannten das und fanden nichts Schlimmes dabei. Denn überzeugend spürbar blieb immer die große Liebe zum Kind.
Am zornigsten wurde Vater, wenn irgendein übler Kerl dem Sohn ein Leid zufügte. Dann wuchs eine schier gigantische Kraft in ihm. Dann schlug er einen bewaffneten Bankräuber nieder oder setzte einen baumlangen Grobian mit einem Kinnhaken außer Gefecht.
Daß Vater gern einen über den Durst trank und als Heimwerker ziemlich kläglich versagte – das belustigte uns nur; auch das kannten wir.
Und der pfiffige Sohn, ideenreich und zum Schabernack immer bereit! Man denke nur daran, wie er mit einer geschickt plazierten Heftzwecke einen gewalttätigen Einbrecher ausschaltete! Wie er es verstand, unter Einsatz einer gespielten Blinde-Kuh-Variante dem Vater seine Unterschrift unter eine miserable Schularbeit abzuluchsen!
 
Ach, die beiden sind ein wunderbares Paar!
 
Die Zuneigung vieler Kinder und Jugendlicher in vielen Ländern dieser Erde sorgt dafür, daß „Vater und Sohn“ weiterleben. Um den umfangreichen Nachlaß von Erich Ohser kümmert sich eine treue Anhängerschaft in Plauen, gestützt von Freunden aus allen Teilen Deutschlands. Darüber hinaus verwaltet der Südverlag das Erbe Ohsers in vorbildlicher Weise, und in den Musenblättern können Sie sich jeden Sonntag, unterstützt vom Südverlag, an einer Vater und Sohn-Geschichte erfreuen. Verschiedene Ausgaben der Vater und Sohn Geschichten wurden in den Musenblättern bereits vorgestellt, jetzt habe ich das Vergnügen, Ihnen eine wunderhübsche Schmuckausgabe der Erlebnisse des herrlichen Gespanns zu präsentieren:
 
Erich Ohser  e.a. plauen  -  „Vater und Sohn – Sämtliche Streiche und Abenteuer“
© Südverlag, 320 Seiten, 24,0 x 16,5,0 cm, rotes Ganzleinen, 194 Bildgeschichten in s/w  -  ISBN: 978-3-87800-067-9
€ 25,–

Besser kann man das Andenken an diesen großen Künstler und seinen liebenswerten Humor nicht ehren!
 
  
Weitere Informationen unter: www.suedverlag.de  und  www.vaterundsohn.de