„Kommt `n Mann zum Arzt…“

Franziska & Johannes Sperling – „A Man Walks Into A Bar…“

von Frank Becker

© Hatje Cantz
Ha, ha, ha!*)
 

An eine Bochumer Inszenierung Leander Haußmanns von „Der Widerspenstigen Zähmung“ kann ich mich noch sehr gut erinnern, in der Steffen Schult ein hinreißend inszeniertes, langes, quälendes Schweigen auf der Bühne mit dem Satz bricht: „Kommt `n Mann zum Arzt…“. Selten habe ich ein Publikum derart befreit lachen, ja jauchzen hören. So fangen viele und sogar gute Witze an (Schult brauchte seinen übrigens gar nicht erst zu erzählen, der eine einleitende Satz, richtig plaziert, war Pointe genug). Franziska und Johannes Sperling haben die englische Variante „A Man Walks Into A Bar…“ zum Aufhänger genommen und Hunderte zeitgenössische Künstler unter dem Pseudonym „Pepe Nietnagel“ gebeten: „Schicken Sie uns Ihren Lieblingswitz!“ Mehr als 100 der Aufgeforderten antworteten mit selbst gezeichneten, geschriebenen oder geklebten/collagierten Postkarten mit ihren persönlichen Lieblingswitzen bzw. Bildern, Fotos oder Aussagen, die sie witzig fanden. Aus einer wörtlich zu nehmen witzigen kleinen Idee wurde eine mit Einschränkungen ebenso witzige umfangreiche Sammlung, die den Hatje Cantz Verlag überzeugt hat, daraus ein Buch zu machen.
 
Ein im Grunde mehr unterhaltsames als kunsthistorisch bedeutsames Dokument mit über 100 „gewitzten“ Künstlerpostkarten ist so entstanden, doch erzählt es einiges über die Absender, die sich immerhin bereit erklärt haben, damit ein Türchen zu ihrem Denken zu öffnen. Die Gestaltung der Karten ist meist das Wesentliche und oft sogar Witzige, während nur wenige der erzählten Witze wirklich witzig sind, ja manches wirkt sogar herbeigequält lustig. Ist es dann aber manchmal überhaupt nicht, wie z.B. Bjarne Melgaards Auffassung von Humor, der es spaßig findet, zur deutschen Adresse einen gereckten Arm und das Wort „Sieg“ zu kritzeln. Verzichtbar, wenn auch aussagekräftig über den Absender. Über Humor läßt sich durchaus trefflich streiten, hier jedoch wohl kaum.
Hingegen zeigt Sven Drühl auf selbst gestalteter Totentanz-Postkarte heiter-philosophischen Humor (Und dann war da noch der britische, agnostische Legastheniker, der nachts wachliegt und sich fragt: „Does Dog exist?“) und läßt Uwe Henneken durch die augenzwinkernde

Nicht lustig - © Bjarne Melgaard
Verwendung zweier aufgeklebter Playboy-Cartoons des Kollegen Erich Sokol Humor, verbunden mit saftiger Sinnenfreude erkennen. Christian Jankowski wiederum spielt den Ball mit dem fotografischen Selbstportrait „Künstler vertraut einer Postkarte seinen Lieblingswitz an“ intelligent zurück. Um beide Seiten der jeweiligen Postkarte kennenzulernen, muß man umblättern, so wie man halt die Karte umdrehen muß, wenn man sie aus dem Postkasten nimmt. Das birgt Überraschungen, und so ist es wohl auch gedacht.
 
Erwin Wurm, Bjørn Melhus*), Lawrence Weiner, Nedko Solakov, Ragnar Kjartansson, John Baldessari, Jonathan Meese, Daniel Richter, Karin Sander, John Baldessari, André Butzer, Tacita Dean, Andy Hope 1930, Christian Jankowski, Ragnar Kjartansson, Jim Lambie, Erik van Lieshout, Jonathan Meese, Julie Mehretu, Jonathan Monk, Tal R, Tobias Rehberger, Daniel Richter, Ed Ruscha, Thomas Scheibitz, Thomas Schütte, David Shrigley, Lawrence Weiner u.a.m. gehören zu den anderen, die sich an dem Projekt beteiligt haben. Jede Menge Lesefutter und – ohne despektierlich sein zu wollen - sicher für manchen Besitzer gefragte Klo-Lektüre.

Franziska & Johannes Sperling – „A Man Walks Into A Bar…“
Jokes & Postcards
© 2014 Hatje Cantz Verlag und die beteiligten Künstler
224 Seiten, Paperback, Fadenheftung, 201 farbige Illustrationen, deutsch/engl. Einführung – ISBN 978-3-7757-3914-6
19,95 €
 
Weitere Informationen:  www.hatjecantz.de
 
 

   © Uwe Henneken / Erich Sokol