Der Spott der kleinen Dinge

Person bei Tageslicht

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Person bei Tageslicht
 
Neulich sollte ich meine Frau fotografieren. Meine Frau kenne ich schon 15 Jahre; neu war die Kamera.
    Die Kamera kann alles. Ein Freund hat sie mir empfohlen. Der Freund hat eine Schwäche für Hightech. Zum Beispiel besitzt er einen riesengroßen Föhn. Nicht für Haare, dafür ist der Föhn zu groß. Was man wirklich mit dem Föhn macht, habe ich mich lange nicht zu fragen getraut. Das hat seine Gründe. Ein Bekannter hat mal in größerer Runde »Der einzige Weg, Oliven zu essen« für ein Kochbuch gehalten. »Der einzige Weg, Oliven zu essen« ist aber ein deftiger Erotik-Ratgeber. Alle außer ihm wußten das. Sowas vergessen die Leute nie und erzählen es (Sie lesen es ja gerade selbst) noch jahrelang weiter. Daraus lernt man. Wenn ich etwas nicht weiß, warte ich einfach ab. Es dürfte einer der Gründe sein, warum ich eines Tages mit vielen ungestellten Fragen diese Welt verlassen werde.
    Anderes wiederum erledigt sich bei diesem Wartevorgang, den man Dasein nennt, von selbst. Der Föhn ist zum Verdampfen von altem Lack und so. Das ist mir irgendwann völlig unaufgefordert erzählt worden – der Freund hat einfach nicht ausgehalten, daß ich nie was zu seinem Föhn gesagt habe. Menschen sind so.
    Das Foto von meiner Frau sollte ein Urlaubsfoto sein. Meine Frau hatte als Hintergrund Blumen vorgeschlagen. Ich fand die Mauer besser. Aber es war ja ihr Bild.
    Erst sollte ich sagen, ob die Haare liegen. Dann, ob die Blume auch drauf ist. Dann habe ich gedrückt. Das Foto war unscharf. Ich bin nicht so der Fotografentyp. Diese grausige Digitaltechnik verhindert, daß solche Sachen erst Wochen später in einem Vorstadt-Drogeriemarkt auffallen. Meine Frau hat vermutet, es liege an der Einstellung. Ich hatte als Einstellung »Person bei Tageslicht«. Es war Tageslicht. Meine Frau ist eine Person. Aber nicht in den Augen der Kamera. Ich habe alles probiert. »Landschaft«, »Schnee«, »Gebirge«, »Tiere«. Am schärfsten wurde das Bild bei »Museum«. Das hat meiner Frau nicht gefallen. Ich habe es mit einem Kompliment in Richtung »Mona Lisa« versucht.
Ich hätte besser einfach nur abwarten sollen.
 
 
 
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.