Begierde
Themenausstellung
in der Leipziger Galerie Koenitz Daß in einer hochgradig sexualisierten Gesellschaft und in Zeiten der millionenfachen Verbreitung des dreibändigen erotischen Kultromans „Shades of Grey“ (dessen Verfilmung gerade in den Kinos angelaufen ist) eine Kunstgalerie auf die Idee kommt, eine Ausstellung unter dem reißerischen Titel „Begierde“ zu annoncieren, ist nicht sonderlich erstaunlich. In zentraler Lage Leipzigs, nur ein paar Schritte vom Markt und der legendären Thomaskirche entfernt, zeigt die Galerie Koenitz bis 14.3.2015 eine Gruppenausstellung mit Arbeiten von neun Künstlern und einer Künstlerin, die – so der Lockruf – inhaltlich um das Phänomen der Begierde kreisen. Reflexartig assoziiert man Begriffe wie Leidenschaft und Lust, Sinnlichkeit und Trieb, Libido und Liebesverlangen, und spontan kommt es zu einer Erwartungshaltung, die sich maßgeblich aus erotischen Phantasien speist.
Nun sieht man in der Galerie Koenitz zwar eine Menge nackter Haut, hinsichtlich der Darstellung des Begehrens oder gar der Begierde geht es aber doch recht dezent zu. So ist es bezeichnend, daß die Kunsthistorikerin Christine Dorothea Hölzig in ihrer Laudatio anläßlich der gut besuchten Eröffnung sehr allgemein und eher ausweichend von „sichtbar gemachten Zuständen“ sprach, „die von der Würde des Menschen und dem Reichtum seines Wesens künden“. Bei dem Gros der präsentierten Arbeiten handelt es sich um Aktbilder, die in unterschiedlichsten Ausformulierungen den männlichen Blick auf den weiblichen Körper zeigen, während der Mann als „Objekt der Begierde“ so gut wie keine Rolle spielt, andeutungsweise allenfalls bei Barbara Burck, der einzigen Frau unter den ausstellenden Künstlern. Ohne die Kunstgeschichte gegen den Strich zu bürsten, werden hier weitgehend tradierte Sehweisen perpetuiert und historische Rollenbilder zementiert, was nicht bedeutet, daß dem Besucher keine qualitätvolle Malerei geboten würde. Im Gegenteil.
Gemeinsam ist den ausstellenden Künstlern Alex Bär, Barbara Burck, Sebastian Herzau, Jost Heyder, Reinhard Minkewitz, Günter Richter,
In stilistischer Hinsicht lassen sich weder die Leipziger Schule der Gründungsväter noch die Neue Leipziger Schule auf einen Nenner bringen. Zu unterscheiden sind – so der Kunsthistoriker Lothar Lang – zwei Haupttendenzen, eine „expressiv-leidenschaftliche“, für die etwa Bernhard Heisig steht, und eine „formstrenge, dingpräzise, nüchtern-sachliche“. Dabei sind innerhalb der zweiten Richtung nochmals zwei divergierende Positionen erkennbar, die eine anknüpfend an der Neuen Sachlichkeit der 1920er Jahre (Mattheuer), die andere die altmeisterliche Tradition der deutschen Renaissance und des italienischen Manierismus aufgreifend (Tübke), teilweise mit surrealen Einschlägen.
Dieses stilistische Spektrum findet sich auch in der aktuellen Themenausstellung der Galerie Koenitz. Jost Heyders brillant gemalte, in kontrolliert-nervöser Manier niedergeschriebene Frauenakte, etwa „Der blaue Mantel“ von 2014, sind trotz ihrer kühlen Farbigkeit eher dem „expressiven
Während sieben der zehn in der Galerie Koenitz ausstellenden Künstler über den Stallgeruch der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst verfügen, ist der 1938 geborene und bereits 2004 verstorbene Roland Frenzel der Einzige, der keine formale Ausbildung als Maler erfahren hat. Obwohl Autodidakt, der künstlerisch eher Abstand zur Leipziger Schule hielt und sich gegenüber den Ansprüchen des Sozialistischen Realismus als resistent erwies, fand er schon früh seinen Platz in der Leipziger Kunstszene. Mag sein, daß sein dem Expressionismus nahestehendes, das Groteske streifende Aktbild „Begierde“ aus dem Jahr 1972 für die aktuelle Ausstellung in der Galerie Koenitz titelgebend gewesen ist, auf jeden Fall belegt es die Sonderstellung des Künstlers im Kunstgeschehen der ehemaligen DDR und ruft in Erinnerung, daß die Kunstszene im Osten Deutschlands wesentlich pluralistischer gewesen ist, als sie westlich von Mauer und Stacheldraht wahrgenommen wurde.
Galerie Koenitz
Dittrichring 16 - 04109 Leipzig - Tel. 0341 9999658
Montag bis Freitag 10 - 18 Uhr / Samstag 10 - 16 Uhr
Alle Abbildungen: Galerie Könitz
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