Der Spott der kleinen Dinge

Wenn Frauen schreiben

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Wenn Frauen schreiben
 
Neulich hatte ich den Eindruck, daß jetzt jeder Krimis schreibt. Ich traf im Speisewagen eine Frau, die beteuerte, seit 16 Jahren Souffleuse beim Theater zu sein. Sie bestellte ein Bio-Aktionsgericht von Horst Lichter. Ich dachte an seinen gezwirbelten Bart und fragte nach Grüntee. »Zehn Cent pro Lichter-Essen gehen an deutsche Wälder«, sagte die Frau und hatte etwas Nußpesto zwischen den Zähnen.
    »Ich schreibe Krimis«, sagte die Frau. An ihrer Bluse wackelte eine Brosche mit einer lachenden und einer weinenden Maske. Die ist nie und nimmer beim Theater, dachte ich, mit Theatermasken werben höchstens Sparkassen, die Musicals sponsern. Meine Augen suchten den Kellner, der keinen Grüntee brachte.
    »Wichtig ist der Titel«, sagte die Frau und erzählte ihren jüngsten Fall, in dem eine bildhübsche Aserbaidschanerin in Braunschweig einem Mädchenhändler in die Hände fällt. »Meine Ermittlerin ist Diva«, quasselte die Frau. Mir fiel ein, dass Horst Lichter Schrott verkauft hat, ehe er mit Kochen reich wurde. Jeder Gott geht einmal durch den Dreck. Draußen sauste der Wald vorbei. Ob dieses Teilstück schon zehn Cent bekommen hatte, war auf den ersten Blick schwer zu erkennen.
    Ich nickte der Frau mechanisch zu, erfand aber zeitgleich Titel, Schmunzelkrimis wie »Friseuse wird böse«, melancholische wie »Chef ohne Wiederkehr«, aber auch Reißer: »Rübe ab, der Killer klopft«. Ich roch den Erfolg förmlich. Der grünteelose Kellner räumte ab. Ich beschloss, die zehn Cent später zu zahlen. Bei einem Bestseller vielleicht auch mehr.



© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.