Bestsellerfressen

Das große Kölner Buch der Religionen

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
»Das große Kölner Buch der Religionen«
Das ist so ne Art außerirdischer Stadtführer.
Mit Namen, Stadtplänen und Adressen und allem Drum und Dran!

Überschrift:
Abrakadrabra aus aller Welt in Kölle

 
Meine Damen und Herren!
Wer wissen will, was die Menschen alles so glauben, der muß nicht unbedingt in die Welt hinaus. Der kann auch in Köln bleiben. Und sich stattdessen diese fette Multi-Kulti-Bibel reinpfeifen. In Köln, meine Damen und Herren, dem ewigen Pappnasenparadies, gibt’s ja bekanntlich nix, wat et nicht gibt. Hier hat sich alles versammelt, was weltweit in Sachen Jenseits, Sackhüpfen und Springprozession so Rang und Namen hat.
 
Neben den original 5 fabelhaften Weltklassikern, die wa alle kennen - vom Ollen Testament über Rhama-Drama, Kopftuch, Kreuzigung bis hin zur Wiedergeburt und zurück - hammer in Köln vor allem noch obendrein 95 ganz spezielle Spezial-Unterabteilungen wie z.B. die Aleviten und Alawiten, Wahabiten, Salafiten, Sunniten, Schiiten und Sufiten, die Jesus-Freaks und Heilsarmee, die Zeugen Jehovas, afghanische Buddhas und alle Heiligen der Gralsbewegung … jetzt nur so als Beispiel.
Insgesamt, meine Damen und Herren, 100 verschiedene, ziemlich phantasievolle Vereine!
Die aber alle 3 Dinge gemeinsam haben:
1.: Se können sich alle gegenseitig nicht ab,
2.: Se wollen alle datselbe, Wahrheit, Frieden, Nächstenliebe,
und 3.: Se können sich alle gegenseitig nicht ab.
 
Und deswegen ist es auch wohl ganz praktisch, wenn die Sozialdezernentin der Stadt Köln im Geleitwort schreibt:
»Liebe Leserinnen und Leser! Dieses Buch hilft uns, ein vertieftes Verständnis zu wecken und Menschen anderer Religionszugehörigkeit mit Respekt zu begegnen.«
Mmmmhjaah!
Ich war natürlich gespannt, ob dat mit dem Respekt auch bei mir so funktioniert.
Ich sag mal so:    ähm, eher schwierig.
 
Aber wie sieht’s bei Ihnen aus, meine Damen und Herren?
Haben se Lust auf n kleinen Ausritt?
Okay. Aber bitte anschnallen!
 
Liebe Gläubige!
Seitdem ich diese feine Fabelfibel durchgeackert hab, bin ich felsenfest davon überzeugt:
Die tiefste und verständnisvollste Erweckung holen se sich auf jeden Fall bei den gesegneten Babalawos.
Bei den Babalawos!!! Den gesegneten!
Die treiben nämlich Ifana. An manchen Tagen sogar Yoruba … Ja!
Das muß aber vorher vom »eingeweihten Kopf-Orakel« bestätigt werden.
Oder vom »obersten Orisha«. Je nach dem, ob er grade da ist.
Dann sind se aber auch schon quasi neugeboren.
Wollen se Telefon-Nummer? Kann ich Ihnen geben.
 
Oder Se nehmen sich ’n Besen und fliegen damit jeden 2. Freitag um Punkt acht Uhr zu den Hexen der Wiccas!
Ins Bürgerhaus Köln-Kalk. Mühlheimer Straße 58.
Zum gemeinsamen Pentagramm-Zeichnen. Oder Ränen-Rutzeln, äh, Runen-Rätseln.
Da kriegen se dann Respekt vor der »Großen Göttin«! Aber hallo.
Und werden später vielleicht selber sogar son gehörnter Fruchtbarkeits-Vicca!
(Die Wiccas sind übrigens … das is ganz interessant … man lernt ja immer wieder dazu … die Wiccas sind auch für die Regenwälder. Und für dies und das. Aber das nur so nebenbei.)
 
Wat? Zweimal im Monat ist zu wenig? Wie sind Sie denn drauf? Na gut:
Dann eben jeden Donnerstag in gemütlicher Runde apokryphe Texte lesen, und zwar kostenlos, … d.h. völlig umsonst … Texte von Sai Baba.
Sai Baba!!! Mein Gott!
Dem »am meisten verehrten spirituellen Lehrer unserer Zeit«!
Ist natürlich ne viel intensivere Begegnung. Muß man vorher wissen!
Wat? Wer Sai Baba is?
Sai Baba is so'n schmales Männeken aus Indien.
Sai Baba hatte mit 14 Jahren schon beschlossen, er, Sai Baba, sei die Inkarnation von Sai Baba und ist seitdem Sai Baba.
Außerdem hat er ne schöne orangene Kutte an und nen riesigen Afro. So’n Teil! Irre! Unglaublich! Is n Foto von ihm drin hier! Wahnsinn! (Können se jetzt nich sehen. Weil dat Buch zugeklappt ist.)
 
Ja, ja, jetzt denken se bestimmt: Ach, komm … nu nimmt der extra nur son total abseitiges Zeugs, wat keine Sau kennt! Kann uns ja wat vom Pferd erzählen!
Ja. … Könnt ich auch. …Tu ich aber nich. … … Alles echt hier!
 
Okay: Nehm ich eben wat anderes!
Wat halten se z.B. von den … Mormonen? Die kennen se doch, oder? (Ja! Glauben Sie!)
Ne evangelische Super-Sondertruppe.
Die »Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage«!
Komm, ich les Ihnen mal wat vor. Bevor’s zu spät is. Aus dem Religionsbuch hier. Über die … Mormonen! Dann wissen se aber Bescheid:
 
»Im Jahre 1820 hatte der amerikanische Farmersohn Joseph Smith eine Vision, in der ihm Gottvater und Jesus Christus empfahlen, sich keiner der bestehenden Kirchen anzuschließen, da deren Glaubensbekenntnisse allesamt falsch seien.«
Hähä! Ich mein nur: Von wegen Respekt! … Egal. Weiter:
»7 Jahre später teilte er mit, durch einen Engel Prophezeiungen erhalten zu haben, die in reformägyptischer Sprache (!) auf goldene Platten geschrieben waren.«
Äh … Reformägyptische Sprache!
Gibt’s nich!
Hab ich nachgegoogelt. Bei Wikipedia … Reformägyptische Sprache gibt’s nich. Simpel erfunden. Alles Humbug, Mumpitz, Quatsch mit Sauce! Hier: bbbbsssst!
Oder wie ich immer sage: Schweres Meisen-Geschwurbel.
Aber egal. Kann ja erzählen, wat er will. Is ja Religionsfreiheit!
Also hat er »Prophezeiungen erhalten, die in reformägyptischer Sprache auf goldene Platten geschrieben waren.Er übersetzte die Texte und so entstand "Das Buch Mormon". Die goldenen Platten aber mußte er dem Engel wieder zurückgeben … « Hmmmjaah.
Was aber steht nun in dem Buche der Mormonen? Dat wolln wa jetzt aber auch alle ganz genau wissen! Nun:
»Das Buch Mormon erzählt die Einwanderung von Israeliten in den nordamerikanischen Kontinent nach dem Turmbau zu Babel.«
Also genau 2000 Jahre vor Kolumbus!
Jetzt sagen se nich: „Dat kann doch sein!“ Dat kann eben nicht sein! Weiter:
»Die Einwanderer teilten sich in zwei Völker, in die gottlosen Lamaniten und die frommen Nephiten. Den Nephiten erschien Jesus Christus dann nach seiner Himmelfahrt.«
Okay. Dat kann natürlich sein …
»500 Jahre später wurden die Nephiten jedoch von den gottlosen Lamaniten in einer großen Schlacht vernichtet. Einer von ihnen hieß Moroni und hatte noch Zeit, die goldenen Platten zu beschriften …«
Hey! Komm! Noch 2 Sätze!
»Die Lamaniten aber bestrafte Gott mit einer dunklen Hautfarbe.
Sie wurden die Vorfahren der Indianer.« Hugh!
 
Und so geht das hier 4 volle Seiten lang!
In dem großen Kölner Buch der Religionen.
Mit einem Vorwort von Jürgen Rüttgers. Dem Sprachfehler Gottes!
 
Dieser Jupp Schmitz, meine Damen und Herren, der Typ, der sich diese Mormonen ausgedacht hatte, wurde übrigens 1844 wegen seiner ewigen Vielweiberei verhaftet und ist dann kurz darauf von einer sog. »aufgebrachten Menge« umgenietet worden.
Na ja, wenn se mich fragen: Auch kein Wunder!
Zur Zeit tummeln sich jedenfalls über 13 Millionen Mormonen auf diesem armen Planeten. Und genau 430 hier bei uns in Köln. (Warum auch immer. Wahrscheinlich wegen Weiberfastnacht.)
 
So, meine Damen und Herren!
Det waren jetzt die Hormonen, … äh, Mormonen.
Ich würd Ihnen ja nun zu gerne noch die andern 93 Vereine vorstellen. Einfach aus tiefem Respekt! Aber ich seh schon an Ihren Gesichtern … Wir haben nicht so viel Zeit.
Und ehrlich gesagt:
Soooo wahnsinnig viele Unterschiede zwischen Mormonen und … äh … Katholiken .… also … pfffff …
Okay. Manche behaupten: Der Teufel steckt im Detail!  (Dann aber auch bei allen.)
 
Unterm Strich, meine Damen und Herren, waren mir die Jungs von Hare Krishna noch am liebsten. Kennen se auch noch, ne?
»Hare Krishna, Hare Krishna,
Krishna, Krishna, Hare, Hare,
Hare Rama, Hare Rama,
Rama, Rama, Hare, Hare.«
Haben aber alle ne Glatze.
Die Frauen auch.
Danke schön.

Weitere Informationen: (Nachrichten)  www.wolfgang-nitschke.de  und (Bücher)  www.edition-tiamat.de