Poesie, Tradition und Artistik

Masashi Action Mashine - Mishiro Dance Company Japan

von Frank Becker


Masashi Action Mashine

Mishiro Dance Company Japan
Tanz und Artistik in bestechender Form
 
Woran denken Sie beim Stichwort Japan? An die traditionelle Musik mit Shakuhachi und Koto aus Nippon, dem Land der aufgehenden Sonne? An junge Frauen in bunten zarten Kimonos und mit papiernen Schirmchen unter Kirschblütenhimmel? Genau. Das sind die kollektiven, süßlich-kitschigen Stereotype, unter denen Japan im „Westen“ gerne interpretiert wird. Mit genau diesem Klischee spielt die Mishiro Dance Company Japan aus Nagoya, der viertgrößten Stadt des Kaiserreiches auf der Insel Honshu in ihrem aktuellen Programm „Masashi Action Mashine“, mit dem sie am vergangenen Freitagabend im Remscheider Teo Otto Theater gastierte.
Recht schnell wird der Zuschauer, der sich getreu nach dem Klischee im Opener von sechs zarten Kimono-Schönheiten (s.o.) eingelullt sieht, durch den martialischen Auftritt von Schwert- und Lanzenkämpfern in blutiges Kriegsgeschehen gestoßen: „Kumo No Ito“ (Der Faden der Spinne). Auf einer alten japanischer Fabel fußend wird in kraftvollen Bildern vor gelegentlich an Strawinsky erinnerndem Sujet die Geschichte eines reuigen Sünders erzählt, der in Masashi Mishiro kraftvolle Verkörperung findet. „Einmal Hölle und zurück“ steht beeindruckt in meinem Notizbuch zu diesem Stück.

Sieben höchst unterschiedliche Stücke standen auf dem Programm, darunter alleine zwei Uraufführungen und vier europäische Erstaufführungen, getanzt von sechs Damen und fünf Herren. Tradition und Moderne vermischen sich auf originelle Weise - die Choreographin Kumiko Sakamoto und Solotänzer und Choreograf Masashi Mishiro, die gemeinsam 1990 die  Company gegründet haben, vereinen die Tanzkultur ihrer Heimat mit Jazzdance und amerikanischem Tanzstil zu originärer Form. Die Stoffe sind mythologisch oder hochaktuell, ernsthaft, aber auch humorvoll, elegant oder/und kraftvoll, zart oder atemberaubend artistisch. So in „Matsuri“ (Fest), das unter traditionellen weißen Fuchsmasken Figuren von äquilibristischem Rang und beinahe unglaubliche Breakdance-Artistik zeigte, die das Publikum schier von den Sitzen riß.


Masashi Mishiro in Ken No Michi

Dem edlen, vollendeten Schwertkampf und seinem Samurai-Helden Miyamoto (1584-1645) gewidmet ist „Ken No Michi“ (Der Weg des Schwertträgers), ein virtuos vorgetragenes Stück über das Erlernen und Beherrschen der Kampfkunst eines japanischen Ronin und seines Lebensweges. Masashi Mishiro glänzte im Solo hier wie auch zuvor und später. Die wirbelnden Körper des Krieges wurden durch das höchst aktuelle Thema der AKW-Katastrophe von Fukushima abgelöst. „Wir sind nicht allein. Wir können ertragen, weil wir Träume haben“: In einer musikalisch kongenial unterstützten ergreifenden Choreographie entfaltete sich vom atomaren Wind des Verderbens bis zur Pyramide der Hoffnung ein Tableau der Mahnung an die Lebenden, der Kernkraft abzuschwören.


Japanese Businessman 2015
 
Mit sehr viel Humor und einer ordentlichen Portion Selbstironie karikieren die Tänzerinnen und Tänzer den gelegentlich skurrile Formen annehmenden modernen japanischen Way of Life z.B. in der Uraufführung von „Tokyo Express“, das die auch hierzulande nicht unbekannte Internet-Bestellwut witzig, artistisch und wieder mit militärisch präzisen Breakdance-Nummern beschreibt. Noch witziger karikiert die europäischen Erstaufführung von „Japanese Businessman 2015“, die Lebensgewohnheiten und die untergeordnete Haltung des japanischen Büroangestellten vom frühen Morgen bis zum Abend.     

Das poetische Glanzstück war aber zweifelsohne die hinreißende, bezaubernde Choreographie von „Naruto No Uzu“ (Die Fluten von Naruto). Festgemacht an den Gezeiten zwischen den Inseln Shikoku und Awaji lassen fünf Tänzerinnen unter den Klängen der rhythmisch wirbelnden Musik von Kitaro, Kenji Kawai und Kiyoshi Yoshida vor den Augen des Zuschauers glaubhaft Dünung und Gischt, Brandung, Wogen und Strudel glaubhaft sichtbar und fühlbar werden – tänzerisch eine Glanzleistung, eine Delikatesse für Auge und Sentiment.


Naruto No Uzu

Das Teo Otto Theater, das ohnehin mit seinem Ballett-Programm überzeugt, hat auch hier bei der Auswahl wieder eine geschickte Hand gezeigt. Eine Veranstaltung der Konzertdirektion Landgraf.

Alle Fotos: Veranstalter
Weitere Informationen:  www.dancepro.co.jp/action-machine/  -  landgraf.de/dance/dance-saison-2014-2015/