Wunschlos

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Wunschlos

15.1. In unserem Haus wohnen fast nur Männer, da steht die ganze Zeit der Klodeckel oben. Und am Donnerstag, wenn alle denken, ich sitze in der Volkshochschule und lerne Russisch, dann sitze ich in der Spielothek und lasse die Sau raus - ich meine, das ist nur ein kleines Doppelleben, aber besser als gar kein Doppelleben.
 
16.1. Heute soll der Tannenbaum abgeholt werden. Der Tannenbaum wird vom Christkind gebracht und abgeholt vom Müllmann, welch ein Abstieg. Natürlich kommt der Müllmann nicht, und ich schleife unseren grünen Freund wieder auf die Veranda.
 
17.1. Gestern traf ich meinen Halbbruder, und er fragte mich: „Wenn du drei Wünsche frei hättest und du würdest eine Fee treffen, was würdest du dir wünschen?“ Hab' ich gesagt: ganz klare Kiste, Man ist ja irgendwie immer auf so was vorbereitet: Als Erstes wünsche ich mir einen Toaster, aber mit Aufsatz. Wir haben einen Toaster ohne Aufsatz, und das ist es ja nicht, man will ja auch die nicht mehr ganz so frischen Brötchen wieder warm kriegen. Mein zweiter Wunsch wäre eine Nacht mit Franka Potente oder Maria Schrader, wer also gerade Zeit hätte. Ich weiß, daß die beiden sehr beschäftigt sind und quasi von einer Filmaufnahme zur nächsten reisen, ich bin ja nicht wirklichkeitsfremd. Und als Drittes wünsche ich mir natürlich ein Theaterabonnement für die Kammerspiele in Paderborn – für meine geschiedene Frau. Da fragte mein Halbbruder: „Ist das dein Ernst?“ Ja, habe ich gesagt. Ich habe doch sonst alles. „Das wollen wir doch mal sehen“, sagte mein Halbbruder, mein Halbbruder ist nämlich Versicherungsvertreter.
 
 

© Erwin Grosche