Der Spott der kleinen Dinge

Elvis und Schimanski

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Elvis und Schimanski
 
Neulich habe ich irgendwo gelesen, daß Elvis lebt. Es gibt diese Meldungen, die immer wiederkommen, obwohl sie völlig realitätsfern sind. »Elvis lebt!« oder »Es gibt keinen Weihnachtsmann!« oder »Ypsilanti regiert!«. Dieser Quatsch kommt immer wieder hoch. Irgendwann denkt man, es wäre endlich Ruhe. Und plötzlich sitzt du im Wartezimmer, und jemand neben dir liest aus der Zeitung den Satz vor: Elvis lebt! Menschen lieben Dinge, die nie und nimmer stimmen. Legenden sind zähe Biester.
    Elvis ist aber tot. Er soll unter anderem an der vielen Torte gestorben sein, die er so gern aß. Eine technische Zeichnerin aus Salzkotten, deren Hobby Kuchenbacken ist, hat eine Elvis-lebt-Torte gemacht. Ich muß Ihnen nicht sagen, daß eine Elvis-lebt-Torte ein Widerspruch in sich ist. Irgendwann wird man sich erzählen, daß Elvis an einer Elvis-lebt-Torte gestorben ist. Und es glauben. Die Salzkottenerin habe ich im Internet entdeckt.
    Das Internet ist eine Fundgrube. Eine schöne Seite ist www.frag-mutti.de. Da steht alles, was man sonst Mutti fragt – und zwar mit Antwort. »10 Fliegen fangen in 1 Minute« oder »Kragenspeck rauskriegen«.
    Meine Mutter ist Tierschützerin und Nicht-Hausfrau. Wir sprechen nur über Wichtiges. Zuletzt über Peter Sodann als Präsidenten. Meine Mutter war außer sich: »Ein Polizist aus der DDR, unmöglich!« Ich habe meiner Mutter gesagt, dass Peter Sodann den Polizisten bloß spielt. Meine Mutter läßt sich nicht so leicht von einer fixen Idee abbringen. Sie sagte: »Nein, der spielt nicht, der hat gesagt, er will diesen Ackermann fesseln!« »Nicht fesseln, Mama, nur verhaften!«
    Wir verzettelten uns ein bißchen, bis meine Mutter in der Präsidialfrage Horst Schimanski vorschlug. »Wer so oft Scheiße sagt«, sagte meine Mutter, »ist volksnah.« Ich hasse Volksnähe und schlug Elke Heidenreich vor. Wegen der Haare wäre sie auch ein schöner Gegensatz zu Gesine Schwan. Ich malte meiner Mutter aus, wie Präsidentin Heidenreich mit roter Samtjacke ihren Bürgern aus dem Grundgesetz vorliest: »Unbedingt lesen! Herrrrrlich! Glas Wein dabei, Leselampe! Lektüre, die uns alle angeht, toll, erschütternd und so menschlich.«
    Meine Mutter war dann doch für den Polizisten, der Ackermann einlochen will.
 
 
 
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.