Der Spott der kleinen Dinge

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Der letzte Drücker
 
Neulich wollte ich ein Weihnachtsgeschenk auf den letzten Drücker kaufen. Es war bloß ein Spiel. Ich brauchte keines. Ich lache über Kulturpessimisten, die aus August-Dominosteinen eine Klagemauer bauen. Ich habe immer schon Ende September alle Geschenke. Das verschafft Überlegenheit.
   Das Geschenk auf den letzten Drücker ging so: Ich dachte, du bist jetzt ein Deutscher, es ist 19 Uhr, du bist in Panik, hast 50 Euro und eine Stunde, um ein Geschenk zu finden. Beim Betreten des Kaufhauses stand ein singendes Schwein vor mir. Singende Schweine sind immer etwas Besonderes.
   Ich las, daß das Schwein ein verkleideter MP3-Player war. »Kitsch, aber lustig«, sagte eine Stimme hinter mir. Ein Unterhaltungselektronikfachverkäufer mit blau getönter Brille hatte sich angeschlichen. Er erinnerte mich an Dieter Thomas Heck. Ich gab vor, einen Römertopf zu suchen und floh.
   Auf der Rolltreppe fuhr ich permanent in die Parfümdüfte der Frauen vor mir. Dabei fiel mir ein, daß mein Patenkind sich die Playmobil-Schule wünscht. Obwohl ich seit September etwas habe, lief ich zu den Spielwaren. Ich hatte noch 28 Minuten und kaufte den Piano-Spieler aus der Playmobil-Hochzeitsserie. Selbstredend paßt der Mann nicht in eine Schule, aber ich dachte, Kinder könnten gar nicht früh genug an die Unwägbarkeiten des Lebens gewöhnt werden.
   Während ich zahlte, klingelte das Handy. Meine Schwiegermutter war dran und außer sich. Ihr sei im Schlaf eine Maus übers Gesicht gelaufen. »Ich habe sofort Licht gemacht, und die ging ganz gemütlich über das andere Bett.«
   Meine Schwiegermutter hat die Maus danach nicht mehr gesehen. Mein verstorbener Schwiegervater glaubte an Seelenwanderung. Ich unterdrückte eine entsprechende Vermutung und wünschte ihr eine mauslose Nacht. Ich kaufte etwas Käse und eine Lebendfalle. Im Untergeschoß sang das Schwein ein christliches Weihnachtslied.
 
 

© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.