Ein künstlerischer Dialog Das Kunstmuseum Bonn präsentiert
in einer hinreißenden Doppelausstellung August Macke und Franz Marc
Trotz der Strahlkraft der Farben und der scheinbaren Unbeschwertheit zahlreicher Bilder ist die aktuelle Ausstellung „August Macke – Franz Marc. Eine Künstlerfreundschaft“ im Kunstmuseum Bonn von Tragik überschattet. Denn sie erinnert im „Themenjahr 1914“ an den frühen Tod des siebenundzwanzigjährigen August Macke nicht einmal zwei Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, wie auch daran, daß Mackes Freund Franz Marc im März 1916 ebenfalls Opfer der Waffen wurde. Thema der Bonner Schau ist die exemplarische Freundschaft zweier Avantgarde-Maler, die 1910 begann und nach viereinhalb Jahren ein jähes Ende fand.
Zwischen den beiden Stationen „Erste Begegnungen“ und „Bilder vor dem Krieg“ entwickelt sich über zwei Etagen ein aus neun Etappen bestehender Parcours , der das Gemeinsame und Trennende dieser beiden Künstlerpersönlichkeiten anschaulich vor Augen führt. Während sich Mackes Werk im Gewand eines farbenflammenden, heiteren Fauvismus, partiell durchmischt mit kubistischen Elementen, darstellt, zeugen manche Bilder Marcs, die alles andere als die Werke eines harmlosen Tiermalers sind, von düsteren Vorahnungen und können zum Teil als Vorboten des Großen Krieges gelesen werden – den der Künstler übrigens für unvermeidbar hielt und als große „Reinigung“ geradezu herbeisehnte, um ein neues „Europa des Geistigen“ möglich zu machen.
Künstlerische Anfänge
Wie sehr der 1880 geborene Franz Marc anfänglich vom Impressionismus beeinflußt war und sich auch am Jugendstil orientierte, wird im ersten Raum der Bonner Ausstellung deutlich. So läßt eine in hellen Tönen gehaltene Aktkomposition von 1909/10, die badende Frauen am Strand zeigt, entfernt an Kompositionen von Ludwig von Hofmann und Ferdinand Hodler denken. Schon früh, gegen Ende des ersten Jahrzehnts, kristallisiert sich in Form von Pferde-, Reh- und Katzendarstellungen Marcs ureigene Thematik, das Thema Tier, heraus. Zur selben Zeit findet der sieben Jahre jüngere, zunächst ebenfalls impressionistisch malende Macke zu erstaunlich kompakten, festen, flächenbetonten und durch kräftige Konturen artikulierten Kompositionen – Landschaften, Stilleben, Figuren – , die ihn als einen Künstler zeigen, der im Begriff ist, Eigenes zu formulieren und sich selbst zu finden.
Die Erstbegegnung der Künstler im Januar 1910 in München war der Beginn einer tiefen Freundschaft, in die übrigens die Frauen der Künstler, Maria Marc und Elisabeth Macke, einbezogen wurden. Bei gegenseitigen Besuchen und im Rahmen eines regen Briefwechsels kam es zu einem produktiven Austausch künstlerischer Ideen, der beiden Malern Ansporn und Bereicherung war. Im Jahr 1912 entstand sogar ein Gemeinschaftswerk, als beide Künstler in Mackes Atelier in Bonn gemeinsam das fast vier Meter hohe Wandbild „Paradies“ malten, mit dem sie ihrer Sehnsucht nach einer Welt zum Ausdruck brachten, in der Mensch und Tier, eingebettet in eine intakte Natur, miteinander im Einklang leben (in der Ausstellung als 1:1-Reproduktion).
Der Blaue Reiter
Zu Beginn der 1910er Jahre experimentierten Macke und Marc mit Bildformen des französischen Fauvismus und gelangten, auch unter dem
Spirituelle Vertiefung
Die Kunst Franz Marcs ist spirituelle Vertiefung und Transzendierung, jene August Mackes „Vergegenwärtigung. [...] Macke richtet sich im
Unter dem Einfluß des Frühkubismus von Picasso und Braque verband Marc ab etwa 1912 die leuchtende Farbigkeit des Fauvismus mit einer facettenreichen geometrisierenden Bildarchitektur (Der Tiger, 1912), und Anregungen des italienischen Futurismus führten bald darauf zu einer stärkeren Rhythmisierung und Dynamisierung der Kompositionen. In den späten Arbeiten aus den Jahren 1913/14 – etwa „Die Vögel“ (1914) – häufen sich spitze, gleichsam splitternde Formen, die nicht nur die existentielle Gefährdung der Tierwelt signalisieren, sondern wie apokalyptische Ahnungen der heraufziehenden „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts anmuten. Besonders deutlich wird dies in einem der bekanntesten Gemälde von Franz Marc aus dem Jahr 1913, dem der Freund Paul Klee den Titel „Tierschicksale“ gab und auf dessen Rückseite Marc den Text „Und alles Sein ist flammend Leid“ niederschrieb – ein Hauptwerk, das in der Bonner Ausstellung leider fehlt.
Fest der Farben
Abgesehen von August Mackes letztem, in düsteren Farben gemalten Bild „Abschied, Straße mit Leuten in der Dämmerung. Mobilmachung“ (ebenfalls nicht in Bonn) ist bei ihm von den Bedrohungen angesichts des nahenden Krieges nichts zu spüren. In farbenprächtigen Kompositionen zeigt der Künstler flanierende Damen vor Schaufenstern, Spaziergänger an Flüssen, Seen und in Parklandschaften, einen Seiltänzer auf dem Jahrmarkt, Zirkusartisten in der Manege, Menschen und Tiere im Zoo. Die Bilder entwerfen eine harmonisch gestimmte bürgerliche Freizeitwelt, in der Konflikte, Zerstörung und Tod offenbar keinen Platz haben. Dies gilt auch für die zum Teil tektonisch streng gebauten, in glühenden Farben strahlenden Aquarelle, die Macke im Frühjahr 1914 auf der legendären Tunis-Reise (gemeinsam mit den Malerfreunden Paul Klee und Louis Moilliet) schuf und die in der Bonner Ausstellung wie Juwelen aufleuchten. Das ist pure Lust am Sehen und bedingungslose Hingabe an die Farbe. Wenn Paul Klees berühmt gewordener Tagebucheintrag vom 16. April 1914: „Die Farbe hat mich. [...] Sie hat mich für immer. [...] Ich bin Maler“, in ganz besonderer Weise auf einen der drei Tunesien-Reisenden zutrifft, dann auf August Macke. Nach dessen Rückkehr aus Nordafrika folgten Monate intensiven Schaffens, in denen sich der Maler – ähnlich wie Marc – auch mit Möglichkeiten der gegenstandslosen Malerei auseinandersetzte.
Doch die Uhr lief ab. Im August 1914 trat Macke in München zum Kriegsdienst an, am 26. September fiel er in der Champagne. Franz Marc, der selbst nicht einmal zwei Jahre später durch Granatsplitter zu Tode kam, schrieb in seinem Nachruf auf den Freund: „Der gierige Krieg ist um einen Heldentod reicher, aber die deutsche Kunst ist um einen Helden ärmer geworden.“ August Macke – Franz Marc. Eine Künstlerfreundschaft
Kunstmuseum Bonn
Friedrich-Ebert-Allee 2 - 53113 Bonn
bis 04. 01.2015
danach vom 28.01.- 03.05. 2015 in der Städtischen Galerie im Lenbachbaus München
Katalogbuch erschienen im Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 360 Seiten, in der Ausstellung 34,- €, im Buchhandel 39,80 €
alle Fotos © Rainer K. Wick
Weitere Informationen: www.kunstmuseum-bonn.de - www.hatjecantz.de
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