Der große Houdini

Musical von Paul Graham Brown am Theater Hof

von Alexander Hauer

Theater Hof:
Der große Houdini

Musical von Paul Graham Brown
Uraufführung

Musikalische Leitung: Kenneth Duryea – Inszenierung: James Edward Lyons – Choreographie: Tim Zimmermann - Bühne und Kostüme: Annette Mahlendorf – Chor: Cornelius Volke – Bilder: SFF Fotodesign

Besetzung: Harry Houdini: 
Chris Murray - Bess Houdini: Cornelia Löhr - Dash Weiss: Christian Venzke - Cecilie Weiss: Janelle Groos - Samuel Weiss: Karsten Jesgarz - Leopold Weiss: Andreas Bühring - Madame Charmian, Fette Frau: Stefanie Rhaue - Martin Beck U.A.: Jens Waldig // Birger Radde - Weiblicher Schlangenmensch U.A.: Masako Iwamoto-Ruiter – Nancy: U.A. Annett Tsoungui - Barney U.A.: Christian Seidel - Wilder Mann U.A.: Thorsten Stammberger - Zirkusmanager U.A.: Hans-Peter Pollmer - Der Junge Harry: André Weiß // Elias Himes // Dominik Kusmierz - Der Junge Dash: Dominik Kusmierz // Felix Rübner // Elian Leipold - Der Junge Leopold: Elian Leipold // Max Egelkraut // Leon Horn 
Ballett & Opernchor Theater Hof - Hofer Symphoniker

Komm in meine Zauberwelt

Uraufführungen haben immer etwas magisches, der Zuschauer erlebt etwas vollkommen Neues, noch nie da gewesenes, die Erwartungen sind hochgeschraubt und werden oft enttäuscht. Besonders wenn die PR-Maschine auf Hochtouren lief.
Nun, das Theater Hof, und damit nehme ich mein Fazit vorneweg, hat (leider) nicht die Mittel, um die Presse so zu bedienen, aber enttäuscht hat es sein Publikum mit dem großen Houdini auf keinen Fall.

Ich bin der König der Handschellen

Paul Graham Brown läßt sein Musical mit einer betulichen Ouvertüre starten, die durchaus einer Operette des späten 19 Jahrhunderts entnommen sein könnte. Überhaupt schafft seine Musik den Spagat zwischen Zeitkolorit und Moderne, so ist die Entwicklung des Stücks auch musikalisch zu belegen.
Der Vorhang öffnet sich für ein großes Tableau. Vor einem Zirkuszelt steht die Menge und singt ein Lobeslied auf Harry Houdini, der kopfüber von der Decke schwebt und sich aus einer Zwangsjacke befreit. Von da an wird das Leben Houdinis, oder besser das Leben Erik Weisz, als eine Rückschau erzählt. Familie Weisz kommt 1878 nach Amerika, zunächst nach Wisconsin, später dann nach New York. Der Vater verläßt die Familie und Ehrich, wie er sich nun nennt, kümmert sich zusammen mit den beiden Brüdern als Botenjunge und mit kleinen charmanten Gaunereien für den Unterhalt der Familie.
Zusammen mit seinem großen Bruder Dash schließt er sich einer Carnivaltruppe an und entdeckt seine Begeisterung für Schlösser. Auf so einer Kirmes lernt er seine spätere Frau Beatrice „Bess“ kennen und lieben. Mit wachsendem Erfolg steigern sich auch seine Eigenheiten, Depressionen und Skurrilitäten. Nach dem Tod seiner Mutter, einer fatalen Liebesaffäre und beruflichen Mißerfolgen stirbt er an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs, angeblich ausgelöst durch Boxhiebe in den Unterleib.
Soviel zum Inhalt, der sich im Großen und Ganzen an die Biographie Houdinis hält, nun, es ist schwierig ein ganzen Leben in einen Musicalabend zu zwängen.

So schön kann Theater sein

Paul Graham Browns Partitur verlangt nach einem exzellenten Orchester und Sängern, die wirklich „singen“ können. Beides findet er in Hof. Unter der Leitung von
Kenneth Duryea schaffen die Hofer Symphoniker Klänge aus der KuK- Seligkeit genauso wie die Showrhythmen der Roaring Twenties. Dazwischen Balladenhaftes, Rührseliges, ansprechende Solis, zarte Duette wie große Ensemblenummern. Auf der Darsteller-Seite ist natürlich die Hauptpartie zu nennen. Chris Murray singt, tanzt und spielt den in sich zerrissenen, stets zweifelnden Houdini sehr intensiv. Ihm zur Seite zwei weitere Hofer Dauergäste, Christian Venzke als Dash, der sein persönliches Lebensglück dem Erfolg seines Bruders opferte und Cornelia Löhr als sich aufopfernde, aber auch bestimmende Bess. Die beiden Herren sind unter anderem noch aus der Jesus Christ Produktion wohlbekannt, Cornelia Löhr ersang sich in den „Sekretärinnen“ und im Ballettabend „BEATLES – DAS WEISSE ALBUM“ die Herzen, hier können sie aber in diesem Stück beweisen, daß sie nicht nur im Rockbereich bestehen, sondern auch „wohltemperierte“ Stimmen haben. Die Böse in diesem Quartett ist Madame Charmain, Stefanie Rhaue, Hofs Allroundtalent für alle Fälle. Jedes Lob hieße Eulen nach Athen zu tragen, ihre Stimmführung, ihr schauspielerisches Talent adeln jede Aufführung. Als betrügerische Salonschlange genauso überzeugend wie in der entstellenden Ganzkörpermaske als „Fette Frau“ zu Beginn des Musicals.


Bis in die Nebenrollen erstklassig

Janelle Groos spielt und singt Houdinis Mutter, ein zeitloses Muttertier, Projektionsfläche für die Wünsche ihres Sohnes, der sich nie richtig von ihr lösen konnte. Sein Vater, der die Familie aus wirtschaftlichen Gründen verließ, und was Harry Houdini niemals verwand, ist Karsten Jesgarz. Er begleitet das Geschehen quasi als griechischer Chor kommentierend, ihm gebührt die letzte große Solonummer des Abends, eine anheimelnde Ballade, die im Ohr hängen blieb.
In vielen kleinen Rollen überzeugte
Jens Waldig, genauso wie Andreas Bühring als jüngerer Bruder Leopold, der neben den Bühnenauftritten auch noch die Abendregie inne hat. Nicht zu vergessen ist die Riege der jungen Weiszkinder, vor allem aber der gewinnende Auftritt von André Weiß als junger Erik, der als alter ego den ganzen Abend Harry begleitet.
Das Ballett unter der Choreographie von
Tim Zimmermann bereichert durch Revueelemente die kluge Inszenierung von James Edward Lyons, der bewußt auf lautes Spektakel verzichtet und mehr auf den kammerspielartigen Inhalt des Musicals setzt.
Dies unterstreicht auch die Ausstattung von Annette Mahlendorf. Das zu Beginn erwähnte Zelt ist die Basis für über 30 eigenständige Bühnenbilder. Sanfte Sepiatöne erwecken einen nostalgischen Anstrich, der durch die Kostüme in der Revuenummer stark kontrastiert wird.

Perfektion überall

Über 30 Bühnenbilder, weit über 100 Kostüme, an dieser Stelle will und muß ich auch mal die Gewerke des Theaters Hof erwähnen und loben. Reibungslose Umbauten, flotte Kostümwechsel, rasches Umschminken – meine Damen, meine Herren – ich ziehe den Hut vor dieser Leistung.
Ein Abend, der fesselte, und aus diesen Fesseln hätte sich auch Houdini nicht befreien können. Keine Sekunde Langeweile, eingängige Melodien, tolle Stimmen, Auge und Ohr werden gleich gut bedient, soweit mein Fazit zu einem Abend, dem ich durchaus skeptisch entgegen sah. Paul Graham Browns „Houdini“ unterscheidet sich wohltuend von den üblichen „neuen“ Musicals, sein Reichtum an Melodien, die gelungene Umsetzung in der Inszenierung bestätigten zum wiederholten Male, daß der Broadway eine Dependance an der fränkischen Saale hat.

Weitere Informationen: www.theater-hof.com

Alexander Hauer, besuchte Vorstellung 24.Oktober 2014, Uraufführung.
Redaktion: Frank Becker