Frischwasser für das römische Köln (2)

Eine Herbstwanderung auf den Spuren des Römeraquädukts von Nettersheim nach Köln

von Rainer K. Wick

Römerkanal, Aquaeduktbrücke Mechernich-Vussem
Foto © Rainer K. Wick
Frischwasser für das römische Köln (2)
Eine Herbstwanderung
auf den Spuren des Römeraquädukts
von Nettersheim nach Köln
 
  
Aquäduktbrücken
 
Um Täler oder andere Hindernisse zu überbrücken, errichteten die Römer Aquäduktbrücken unterschiedlicher Größe. Eine kleine Aquäduktbrücke mit einem einzigen Bogen kann in Mechernich-Vollem besichtigt werden; eine Aquäduktbrücke mittlerer Größenordnung befand sich in Mechernich-Vussem, von der infolge der Nutzung der Römerwasserleitung als Steinbruch im Mittelalter allerdings nur geringe Reste erhalten blieben.
Zu Beginn der 1960er Jahre wurden zwei Bögen dieser Brücke mit Kanalrinne rekonstruiert, um anzudeuten, wie man sich die ursprüngliche Gestalt dieses Bauwerks mit seinen mächtigen Peilern vorzustellen hat. Ein Rekonstruktionsmodell, das unlängst in der Ausstellung „Wasser für Roms Städte“ in den Römerthermen Zülpich/Museum der Badekultur gezeigt wurde (siehe „Musenblätter“ vom 23.09.2014), vermittelt einen ungefähren Eindruck vom früheren Aussehen dieser römischen Brückenkonstruktion.
Obwohl nahezu vollständig verschwunden, konnte die größte und längste Aquäduktbrücke der Eifelleitung dennoch archäologisch nachgewiesen werden. Sie überspannte in der Nähe von Meckenheim mit dreihundert Bögen, einer Höhe von bis zu elf Meter und fast anderthalb Kilometer Länge das Tal der Swist. Hier floß das Wasser mit einem extrem geringen Gefälle von lediglich 0,08 Prozent, d.h. die Höhendifferenz betrug nur achtzig Zentimeter auf einen Kilometer. Möglich wurden derart erstaunliche Meisterleistungen römischer Ingenieurkunst durch den Einsatz einfacher, aber überaus effektiver Nivelliergeräte, so der sog. Groma und des von dem römischen Architekturtheoretiker Vitruv beschriebenen Chorobaten.
Daß von diesem monumentalen Zweckbau aus der Römerzeit in situ nichts mehr sichtbar ist, erklärt sich daraus, daß er im Mittelalter komplett abgebrochen wurde, um Baumaterial für andere Bauprojekte zu gewinnen. Unter anderem für den Bau des Kreuzgangs des 1197 gegründeten Prämonstratenserinnenklosters Schillingscapellen in Swisttal-Dünstekoven (heute Gut Capellen). Inzwischen sind die Bogenöffnungen des ehemaligen Kreuzgangs längst zugemauert, aber es besteht kein Zweifel, daß die konisch zugeschlagenen Keilsteine der Bögen der Swisttalbrücke hier, ungefähr zehn Kilometer vom ursprünglichen Ort entfernt, erneut verwendet wurden, worauf auch der identische Bogenradius hindeutet.
 
Im Weichbild Kölns
 
Folgt man dem Römerkanalwanderweg ab Buschhoven durch den Kottenforst, in dem im Barockzeitalter Kurfürst Clemens August dem Jagdvergnügen frönte, wundert man sich immer wieder darüber, sich angeblich auf den Spuren der alten Fernwasserleitung nach Köln zu befinden, denn man sieht außer einer längs verlaufenden, sanft eingetieften Bodensenke – nichts. Tatsächlich ist der Römerkanal in diesem

Römerkanal Doppelleitung Hürth-Hermülheim - Foto © Wick
Streckenabschnitt komplett verschwunden, wurde er doch im Mittelalter restlos als Steinbruch ausgebeutet. Es verblieb lediglich ein bis heute gut erkennbarer offener Ausbruchgraben, der seit alters her die Grenzen zwischen den einzelnen Gemeinden markiert.
Nachdem die Eifelwasserleitung den östlichen Rand des Villerückens erreicht hatte, ging es von Bornheim-Brenig, wo sich der Blick auf die Kölner Bucht mit der Rheinmetropole und den hoch aufragenden Zwillingstürmen des gotischen Domes in der Ferne öffnet, bei einem relativ starken Gefälle von knapp fünf Prozent den Vorgebirgshang hinab nach Bornheim-Walberberg und vor dort an Brühl vorbei bis nach Hürth-Hermühlheim. Hier trafen sich einige Kilometer vor den Toren der Colonia Claudia Ara Agrippinensium die älteren Vorgebirgsleitungen und die neuere Eifelwasserleitung. Kurz hinter diesem Knotenpunkt kann der Wanderer auf der Rückseite der Realschule ein hochinteressantes Dokument des römischen Pragmatismus in Augenschein nehmen, nämlich die sog. Doppelleitung. Im unteren Bereich handelt es sich um die Rinne des alten, im Boden verlegten Kanals, der die Stadt vor der Erhebung Kölns zur Provinzhauptstadt Niedergermaniens mit Wasser versorgte. Im Zuge der Zusammenführung dieser ursprünglichen Vorgebirgsleitung mit dem neuen, größeren Eifelkanal wurde die Versorgungshöhe dann dadurch vergrößert, daß die alte Rinne mit Quadern zugesetzt wurde, auf denen man Pfeiler und Bögen für eine neue Hochleitung errichtete, deren Rinne aber nicht mehr erhalten ist und sich dem Betrachter hier als Rekonstruktion präsentiert.
Im Kölner Grüngürtel auf Höhe des Geißbockheims, dem Clubhaus des 1. FC Köln, befindet sich an der Berrenrather Straße ein Absetz- und Ablenkbecken, das dazu diente, das Wasser kurz vor Erreichen der Stadt zu klären und im Fall notwendiger Reinigungs- und Reparaturarbeiten umzuleiten. Das daneben aufgestellte Teilstück des Römerkanals stammt nicht von hier, sondern aus Mechernich-Breitenbenden und wurde in den Grüngürtel transloziert.
Mittlerweile hat der Wanderer längst die Stille der Eifelwälder und des Kottenforstes hinter sich gelassen und ist im Begriff, in den Lärm und die Hektik einer modernen Großstadt einzutauchen.  Den Endpunkt des Römerkanalwanderwegs markiert, ebenfalls an der Berrenrather Straße (Nummer 436), ein zwischen parkenden Fahrzeugen eingepferchter Pfeilerstumpf der ehemaligen Hochleitung, die statistisch betrachtet jedem Bewohner der römischen Rheinmetropole täglich 1200 Liter Frischwasser brachte, zum Trinken, zum Baden in den öffentlichen Thermen und in den Privatbädern sowie zum Spülen der Kanalisation – das ist zehnmal mehr als der durchschnittliche Tagesverbrauch eines jeden Kölners in der heutigen Zeit.
 
Der Wanderführer
 
Wer sich näher für den römischen Eifelaquädukt interessiert oder sogar den Römerkanalwanderweg erwandern möchte, findet eine Fülle
interessanter Informationen und nützlicher Hinweise in dem 2012 vom Eifelverein herausgegebenen Taschenbuch mit dem bemüht launigen Titel „Die lange Leitung der Römer“ (ISBN 978-3-921805-81-7; 14,95 €).
Ergänzt durch genaue Kartenausschnitte beschreibt Manfred Knauff darin sieben Wanderetappen zwischen Nettersheim und Köln. Dabei erfährt der Leser manch spannendes Detail über die Sehenswürdigkeiten links und  rechts des Wanderweges, doch fallen die ästhetisch anspruchslosen Allerweltsfotos leider deutlich hinter das zu erwartende Niveau zurück.
Klaus Grewe, unangefochtene Autorität in Sachen Aquädukte, gibt einleitend eine fundierte Einführung in die Thematik römischer Wasserleitungen und stellt im zweiten Teil des Bandes über fünfzig einzelne Stationen vor, an denen die Fernwasserleitung aus der Eifel ins römische Köln hinsichtlich ihrer bautechnischen, archäologischen und denkmalpflegerischen Aspekte anschaulich erfahren werden kann.
Wanderern, die sich auf der Strecke von Nettersheim nach Köln ausschließlich auf die Relikte des Römerkanals konzentrieren und die anderen Sehenswürdigkeiten links und rechts des Wegesrandes liegenlassen möchten, sei auch Klaus Grewes archäologischer Wanderführer „Der Römerkanal-Wanderweg“ von 2005 empfohlen, der im Netz unter www.klaus-grewe.de/pdf/72669_Roemerkanal als PDF-Datei zum Herunterladen bereitsteht.
 

Alle Fotos © Rainer K. Wick; die Karte der Eifelwasserleitung und die schematische Darstellung der Sickerleitung am „Grünen Pütz“ nach Schautafeln am Römerkanalwanderweg - Buchcover: Eifelverein