Nowhere Man

„Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ mit Marina Matthias

von Frank Becker

Foto: Teo Otto Theater

He´s a Real Nowhere Man
 
 
Frauenzimmer müssen lieben...
...wo sie nicht siegen können.
 
Peter Hacks hat seinen Monolog „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ „ein Zweipersonenstück, welches in Wirklichkeit ein Einpersonenstück ist, das in Wirklichkeit ein Zweipersonenstück ist“ genannt. Das Teo Otto Theater Remscheid hat damit - dank einer wunderbaren Darstellerin und feinfühliger Regie von Volker Lippmann – mit dem Gastspiel der aus Remscheid stammenden Schauspielerin Marina Matthias, brillant eingefaßt in die Lennon/McCartney-Titel „Nowhere Man“ und „Don´t Let Me Down“, vor ausverkauften Haus einen veritablen Erfolg verbuchen können.
 
Charlotte von Stein hat den jungen Goethe in Weimar 1776 unter ihre Fittiche genommen, um den „Grobian – Flegel aus Philosophie“ gesellschaftsfähig zu machen. Doch darauf beschränkte sich die Verbindung zwischen dem ungehobelten 26-jährigen Rauhbein und der sieben Jahre älteren, verheirateten Frau nach kürzester Zeit nicht mehr. Das Verhältnis zwischen Goethe und der Dame von Stand, dem Lotte offenbar keinen entscheidenden Widerstand entgegensetzt, währt 10 Jahre, bis der Dichter der öffentlichen Affäre durch seine Flucht nach Italien ein Ende setzt. Simpel gesagt: er hat sich verdrückt. „Ohne Erlaubnis!“ kocht Charlotte. Der desavouierten Charlotte gibt die Weimarer  Gesellschaft die Schuld an Goethes Weggang, der in Stadt, Staat und Hof empfindlich fehlt.
 
Hier setzt Peter Hacks´ brillantes Kammerspiel ein. Ein zierlicher Schreibtisch, zwei Täßchen Mokka, ein Stuhl, ebenso transparent wie der Tisch. Im Hintergrund eine Tafelwand, sowie ein Kühlschrank, in dem (…kennst Du das Land…) Zitronen und Goethes Bildnis aufbewahrt werden. Ein netter Gag. Die Ausstattung entspricht in schlichter Perfektion der treffsicheren Inszenierung – beides Volker Lippmann. Charlotte hat sich gewappnet, legt Briefe zum Beweis vor, daß es zwischen ihr und Goethe nie einen „Roman“ gegeben habe. Und doch stellt sich in der Rechtfertigung – Lippmann setzt das Publikum in ansteigenden Reihen auf der Vorbühne an die Stelle der von Hacks vorgesehenen Stoffpuppe, zu der Lotte statt ihres gehörnten Ehemanns spricht – sehr schnell heraus, daß sie Goethe nicht nur erlegen und Geliebte gewesen ist. Sie wäre jetzt sogar bereit, gegen alle Konventionen zu verstoßen: „Ich werde Goethe heiraten! Ich bin seine Frau – wer will mich aufhalten?“, denn „es ist ein wundervolles und einmaliges Glück, von einem Dichter geliebt zu werden!“. Marina Matthias´ Lotte ist nach anfänglicher bebender Wut stolz und süffisant, witzig (wenn ihr das Goethesche Hessisch Babbeln so gar nicht gelingt) und zornig, elegant, empört und scharfsinnig.
 
Eine kalte briefliche Dusche aus Rom läßt sie bitter verstehen, daß die Realität eine eigene Sprache spricht. Goethe berichtet vom Wetter, anstatt den erhofften brieflichen Antrag zu machen – „Don´t Le Me Down…“. Eine Paraderolle für eine blutvolle Darstellerin, ein intelligentes Theatervergnügen ersten Ranges. Letzte Kreidestriche auf der Tafelwand gehen alle an: „Warum ist nur Alles für uns Alle so viel zu schwer?“
Ein gelungener Theater-Sonntagnachmittag.