Rhein und wahr - sonderbar

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Rhein und wahr - sonderbar

22.9.:  Heute habe ich wieder etwas erlebt, da habe ich gedacht, so etwas erlebt man nur in Paderborn. Da habe ich einen Bekannten getroffen, man kann sagen eine guten Bekannten getroffen, den habe ich schon, lassen sie mich lügen, fast 30 Jahre nicht gesehn. Wir haben uns früher jeden Tag getroffen. Ich habe zu ihm gesagt: „Wie geht’s, wie steht´s?“ und er hat gesagt. „Danke gut und selbst?“ und ich habe gesagt: „Kann nicht klagen, alles bestens.“ Wie gesagt, wir kannten uns gut und dann ist er irgendwie aus meinem Blickfeld verschwunden und dann, zu Libori, steht er auf einmal wieder vor mir, nach, lassen sie mich lügen, 30 Jahren, und isst ne Zuckerwatte. Ich natürlich sofort gefragt: „Wie geht’s, wie steht´s?“ und er sagt: „Danke gut und selbst?“ und ich sage. „Kann nicht klagen. Alles bestens.“ und da dachte ich, wie gut, wenn man sich mal aussprechen kann. Ein Gespräch unter Männern, über die Straße hinweg. Mehr Abstand, mehr Liebe, mehr Glück.

23.9.: Herr Schnieschnatz war in der Werkstatt. Er schilderte die Auffälligkeiten seines Autos mit schlichten Worten. „Mein Auto war plötzlich anders. Es schien Sorgen zu haben. Es war mir fast, als dachte es nach. Ich hatte das Gefühl mehr tun zu müssen als früher, um sein wahres Ich zu entdecken. Ich sah das Aufleuchten eines Signals, welches ich nicht kannte und das mich daran erinnerte, daß es Fehler gibt, die nicht wieder gut zu machen sind. Ich hatte das Gefühl die Kontrolle über meinen Wagen verloren zu haben. Er entglitt mir wie ein Jugendlicher in der Pubertät. Er nahm mich nicht mehr ernst. Ich saß plötzlich in einem Panzer. Ich hatte Sehnsucht nach einem Boxenstopp. Ich sah schwarzen Qualm aufsteigen und holte schnell die Plakette des heiligen Christophorus aus dem Handschuhfach.“ „Ihr Auto leidet an Überfettung, wenn schwarzer Rauch aus dem Auspuff qualmt“, sagte der Werkstattleiter ungerührt. Herr Schnieschnatz dachte nur, wenn hier einer an Überfettung leidet, dann du.

25.9.: Der Skateboardfahrer trug beim Telefonieren einen Helm. Ist das nicht ein wenig übertrieben?
So gefährlich ist Telefonieren auch nicht. Obwohl, er wollte gerade der Rodeoreiterin seine Liebe gestehen. Und sie hatte schon ganz andere abgeworfen.
 
27.9.: Ich rüttele an der Tür. Niemand macht auf. Ich habe gerade noch Geräusche gehört. Da muß jemand zu Hause sein. Die Tür ist aus Glas. Ich kann sehen, wer dort wohnt. Oh mein Gott. Hier geht es um jede Minute. Ich versuche die Tür aufzureißen, aber es geht nicht. „Machen Sie auf. Ich weiß, daß jemand zu Hause ist.“ Was soll ich machen? Ich sehe durch die Tür meine nassen weißen Unterhosen und etwas, das aussieht, wie ein roter Strumpf. Hatte sich der Teufel wieder unter die Weißwäsche gemischt? „Ich lasse euch nicht im Stich?“, rufe ich viel zu laut. „Ich hole Euch da raus.“ Hält da jemand von innen die Tür zu? Ich versuche mich zu beruhigen. Es geht nicht. Ich balle eine Faust und fühle mich so klein, obwohl ich Abitur habe. DA KOMMT DIE STILLE!!!



© 2014 - Erwin Grosche für die Musenblätter