Kurkonzert

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Paul Maaßen
Kurkonzert
 
Um 7 Uhr 40 versammeln sich allmorgendlich in deutschen Binnenbädern bekennende Kurgäste vor dem Musikpavillon, schleifen zierliche Sessel, verklemmte Gartenstühle und adlige Hocker emsig durch Kiesel- und Parkgeröll, um der Kurkapelle, dem 1. Geiger oder dem Harfner, nahe zu sein. Es setzen sich Männer und Frauen und harren, Blick geradewegs auf die Nußschale, in der noch der Gärtner Lorbeerbäume architektonisch verteilt, auch der Hausmeister klempnert noch an den Mikrofonen, weiß man doch, daß um 7 Uhr 45 punktum der Kurkapellmeister im lockigen Haar - schöner Rücken kann auch entzücken - sein Zepter erhebt, um seine 11, oder sind's 12, jedenfalls, um seine musikantischen Söldner auf Zick-Zack zu bringen, d. h. zumeist wird gestrichen. Tödlicher Ernst liegt über dem Garten. Morgenstund hat hier etwas andres im Mund, 's ist ein Choral, geblasen vom Blatte, jedem Schnürschuh das Seine. Mancher sitzt hier schon in der dritten Generation, manchmal kommt Vogelgezwitscher dazwischen oder strömender Regen. Dann wird der Choral in der Trinkkuranlage fortgesetzt. (1962)
 
 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus dem Band "Den möcht´ ich seh´n..." in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte freundlicherweise Paul Maaßen zur Verfügung.