Als die Welt voller Monster war

Werner Petermann: "Hundsköpfe und Amazonen"

von Frank Becker
Kopfreise in fremde Welten

Es ist so lange noch gar nicht her, daß unsere Atlanten noch weiße Flecken, will sagen unerforschte Gegenden auf unserer Erde zeigten. Zentralafrika, das Gebiet der (damals) unendlichen Regenwälder des Amazonas, die Polarzonen, Neuguinea oder das innere Australiens gehörten dazu. Was nicht bekannt ist, regt zu Spekulationen an. Hatte auch der Forscherdrang schon nahezu alle Geheimnisse des Erdballs aufgedeckt, mit vielen Legenden aufgeräumt und überraschende Forschungsergebnisse hervor gebracht, da, wohin man nicht kam, mochten noch immer Rätsel der Naturgeschichte und Evolution schlummern. Heute ist alles von Satelliten vermessen, die in unvorstellbarer Zahl vom Weltall aus jeden Quadratzentimeter der Erde beobachten, die Regenwälder werden in beängstigendem Tempo abgeholzt (30 Hektar pro Minute, das sind 16 Millionen Hektar pro Jahr!), verlieren die Pole Ihre gigantischen Eiskappen und von den unwirtlichsten Gegenden des Himalaya bis zu den Wüsten Afrikas und Asiens, von Patagonien bis Spitzbergen hat des Menschen Fuß jeden Flecken betreten, jedes Gleichgewicht zerstört. Wir glauben alles zu wissen.

Und doch hält sich hartnäckig die Legende vom Yeti, dem geheimnisumwitterten Schneemenschen, dem Reinhold Messner begegnet sein will und vom Bigfoot der Rocky Mountains. Von "Nessie", dem Ungeheuer im schottischen Loch Ness hat man lange nichts gehört, doch erreichen uns hin und wieder Nachrichten von Geburten miteinander verwachsener "siamesischer" Zwillinge, Veränderungen, die Kinder mit vier Armen und Beinen oder gar zwei Köpfen zur Welt kommen lassen, sowie Tieren mit absonderlichen Mißbildungen. Es gibt Menschen, die von Kopf bis Fuß behaart sind, an Elephantiasis oder anderen körperlichen Auswüchsen leiden. Wir können wohlinformiert mit solchen Meldungen umgehen.

Wie aber muß es da den Altvorderen gegangen sein, die sich in vergangenen Jahrhunderten auf abenteuerliche Schilderungen dubioser Reisender verlassen mußten, auf die Berichte ungebildeter Soldaten, die fremde Kontinente eroberten oder Angeber bzw. Fanatiker, die per Übertreibung Interesse für ihre Person wecken wollten. Der Faszination des Unbekannten erlagen bereits die Geschichtsschreiber des antiken Griechenland, Ägyptens und Roms.

Werner Petermann ist weit zurück in die Geschichte gegangen, hat Quellen bis in die frühe vorchristliche Zeit studiert und festgestellt: es gab eine Zeit, in der die (fremde) Welt voller Monster war.
Mit seinem akribisch recherchierten Buch "Hundsköpfe und Amazonen", das die ganz großen Themen, Topoi und Irrtümer der frühen Forschung aufgreift, die Vermischung von Legenden, Sagen, Aberglauben und Reiseberichten belegt und die Herkunft der lange für wahr gehaltenen Legenden aufdeckt, schließt Werner Petermann eine naturgeschichtliche wie auch ethnografische und historische Lücke. Das durchaus wissenschaftlichen Ansprüchen von Ethnologen, Volkskundlern und Historikern genügende Buch ist aber auch spannend unterhaltende Lektüre für jeden Laien, der mal mehr über die ja doch irgendwie faszinierenden Amazonen und andere Phänomene wie Greifen, Zyklopen, Höhlenmenschen oder eben Hundsköpfige erfahren möchte. Ich muß zugeben, noch nicht ganz durch zu sein - aber für die hoffentlich schneereichen Weihnachtstage habe ich mir vorgenommen, mich mit "Hundsköpfe und Amazonen" einzuigeln und Kopfreisen in fremde Welten zu unternehmen...

Beispielbild

Werner Petermann
Hundsköpfe und Amazonen

Als die Welt voller Monster war

© 2007 Peter Hammer Verlag
Edition Trickster

419 Seiten, gebunden, mit 19 Seiten Illustrationen
26,- €

Weitere Informationen unter:
www.peter-hammer-verlag.de