Vom Realisten zum Expressionisten

Horizont Jawlensky in der Kunsthalle Emden

von Jürgen Koller

Alexej Jawlensky Selbstbildnis mit Zylinder, 1904 
A. Jawlensky-Archiv Locarno
Vom Realisten zum Expressionisten
Horizont Jawlensky in der Kunsthalle Emden

Eine Ausstellung zum 150. Geburtstag von Alexej von Jawlensky
 
Und wieder ist in der Kunsthalle Emden eine Bilderschau zu sehen, die oben im Nord-Westen der Republik Maßstäbe hinsichtlich der Präsentation, des kunstgeschichtlichen Kontextes und der künstlerischen Qualität des Gezeigten setzt. Im Fokus der Ausstellung, die anläßlich des 150. Geburtstages Alexej von Jawlenskys (Torschok/ Russ. 1864 – Wiesbaden 1941) mit Unterstützung des Museums Wiesbaden eingerichtet wurde, steht die wichtige Schaffensperiode des Künstlers der Jahre 1900 bis 1914. Es ist ein gewisser didaktischer Ansatz nachzuvollziehen, wenn der Titel der Ausstellung HORIZONT JAWLENSKY ergänzt wird mit „ Auf den Spuren von van Gogh, Matisse, Gauguin“. Aber nicht nur diese Künstler weiteten den „Horizont“ des jungen Jawlensky, sondern wesentlich waren  die künstlerischen Kontakte zu Edvard Munch, Lovis Corinth, Maurice de Vlamink, Ferdinand Hodler, Kees van Dongen und natürlich zu Künstlerkollegen aus dem Umfeld des Blauen Reiters wie Franz Marc, Wassiliy Kandinsky, Gabriele Münter und ganz besonders zu seiner Förderin Marianne von Werefkin. Über 70 Gemälde aus der Schaffensperiode vor dem 1. Weltkrieg veranschaulichen den Weg vom jungen Realisten zum berühmten Expressionisten. Vierzig Werke von Malern, die Jawlensky beeinflußten,  stehen in der Ausstellung diesem Block gegenüber. Das Positive an dieser Konstellation ist, daß der Besucher bei dieser Gelegenheit, gewissermaßen nebenbei, herausragende Werke der Klassischen Moderne kennenlernen kann
 
Der junge Maler stand, und davon zeugen seine frühen Porträts, um das Jahr 1890 noch ganz im Banne der Realisten Wilhelm Leibl, Wilhelm

Jawlensky Bildnis Marianne Werefkin um 1906
Museum Wiesbaden
Trübner, Franz von Lenbach und seines russischen Landsmannes Ilja Repin. Eine Bildfolge zeigt die Phasen hin zur Abstraktion - „Helene“ 1894, „Mde. Curie“ 1905, „Lola“ 1912, „Mystischer Kopf“ 1917. Der Künstler löste sich von realistisch-naturalistischen Formen und fand den Weg hin zu einer reduzierten, klaren Bildsprache. Nach 1900 malte er Stillleben und Landschaften in impressionistischer Sicht. Die Einflüsse Vincent van Goghs und der französischen Impressionisten sind unverkennbar. Dagegen wurde sein Pinselstrich bei Figuren und Porträts expressiver, teilweise begann er, die Konturen aufzulösen – „Maria II“ 1901/03. In den Jahren vor dem Krieg führte Jawlenskys Weg vom impressionistischen Malduktus - „Selbstbildnis mit Zylinder“ 1904 und „Bildnis Marianne Werefkin“ um 1906 – hin zu Farbflächen, oftmals in Lokalfarben - „Tal in Murnau“ 1910 (eine glutrote Landschaft). Eine Selbstaussage von Jawlensky lautete (sinngemäß): „...1911 schuf ich meine besten Landschaften und große Figuren in starken glühenden Farben, abstrakt, nicht naturalistisch... bis 1914 entstanden meine stärksten Arbeiten.“ Ein wunderbares Belegbeispiel dafür ist „Frau mit Stirnlocke“ 1913. Der Maler reiste viel, suchte Kontakt mit führenden Künstlerpersönlichkeiten Europas und mit jeder Reise kristallisierte sich sein Stil immer deutlicher heraus. Ein Höhepunkt seiner expressionistischen Malerei ist das „Selbstbildnis“ von 1912 – ein Porträt aus selbstkritischer Sicht, farbexpressiv und zugleich fest in der Form.
 
Jawlensky zeichnete viel, dabei war sein Strich oftmals sparsam, das wird in der Ausstellung am gezeigten Skizzenbuch und in seinen Blättern vom Darß deutlich. Seine Aktzeichnungen als Lithographien verfügen dagegen über einen festen, verbindlichen Kreidestrich.
Der Ausbruch des 1. Weltkrieges im August 1914 beendete diese „rasante künstlerische Entwicklung“. Jawlensky mußte das Deutsche Reich als feindlicher Ausländer innerhalb von 48 Stunden verlassen. Mit dem letzten Zug, der in die neutrale Schweiz fuhr, verließen Jawlensky, seine Geliebte, der gemeinsame Sohn und seine Künstlerfreundin Werefkin Deutschland. Die veränderten Lebensumstände in der Schweiz führten zu einer neuen Entwicklung von Jawlenskys Kunst. Bis in die frühen Dreißiger reduzierte er seine Porträts immer weiter – es entstanden die wunderbaren späten abstrakten Arbeiten. Mit diesem gravierenden Einschnitt in Leben und Werk endet auch die Emdener Ausstellung.


    Alexej von Jawlensky, Sommertag, 1907 - Museum Wiesbaden
 
Die Ausstellung HORIZONT JAWLENSKY ist noch bis zum 19. Oktober 2014 in der Kunsthalle Emden zu sehen.
 
Noch ein Ausstellungstip:
Im Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen läuft zeitgleich – noch bis zum 5. Oktober 2014 - die Ausstellung Marianne Werefkin: Vom Blauen Reiter zum Großen Bären. Es ist die erste Retrospektive von Marianne von Werefkin (1860 - 1938) in Deutschland seit 15 Jahren und stellt die Künstlerin als eine Hauptakteurin der Avantgarde vor.
 
Weitere Informationen: www.museum-boettcherstrasse.de