Ein Pedalritter mit eklatantem Bierdurst

Heinrich Horstmann – „Meine Radreise um die Erde“

von Frank Becker

Ein Pedalritter
mit eklatantem Bierdurst
 
Vor 120 Jahren reiste ein Barmer
mir dem Fahrrad um die Erde
und trank dabei sehr viel Bier.
 
Weltumrundungen kamen nach Jules Vernes Erzählung „Reise um die Erde in 80 Tagen“ (1873) regelrecht in Mode. Der technische Fortschritt brachte zu gleicher Zeit die Weiterentwicklung der lenkbaren Laufmaschine des Carl von Drais mit sich, das Fahrrad, das große Popularität gewann und als Sportgerät in Klubs gefahren wurde. Nachdem der Amerikaner Thomas Stevens 1884 noch auf dem Hochrad den Vorreiter gemacht hatte und in Ostrichtung um die Erde geradelt war, folgten andere, die wie er ihre Abenteuer in Buchform veröffentlichen.

Beispiele spornen an und so zog es 1895 den noch nicht 21-jährigen Barmer Heinrich Horstmann auf die Piste. Vermutlich auf Grund einer Wette brach er am 2. Mai nämlichen Jahres mit einem Nieder-Rad, wenig Gepäck und ohne Geld und Landkarten in westlicher Richtung auf. In Belgien empfing ihn König Leopold II., von Liverpool aus schiffte er sich nach Philadelphia ein, und auf dem nordamerikanischen Festland begann das große Wagnis: Auf unwegsamen Straßen und Pfaden durchquerte er die USA und Mexiko. Weil der Westen wirklich noch wild war, bewaffnete er sich bald, erschoß auch tatsachlich in Notwehr einen Wegelagerer und eine aggressive Dogge und schlug sich mit häufiger Unterstützung deutscher Siedler und lokaler Fahrrad-Klubs durch, bis er den Pazifik erreichte.
Auffallend ist neben der penetranten Deutschtümelei die durchweg von Horstmann in seinem Buch „Meine Radreise um die Erde“ (1898) beschriebene Wichtigkeit fast täglichen, reichlichen Biergenusses. Ja er beklagt sich sogar wortreich, wo er mal keines bekam. Der schmächtige junge Mann schneidet wohl auch kräftig auf, wenn er erzählt, texanische Cowboys und englische Schiffskapitäne unter den Tisch getrunken zu haben. Über Hawaii, Japan, Indien (das er wegen der grassierenden Pest eilens verlassen mußte), Ägypten und das k.u.k. Österreich kommt der Weltenbummler nach 27 Monaten zurück nach Barmen. Bei strömendem Regen, wohlgemerkt – auf das Wuppertaler Wetter war schon immer Verlaß! Die Lektüre ist amüsant, trotz aller oder gerade wegen der Aufschneiderei und mutet an wie eine Melange aus Karl May und Heinz Helfgen, der eine ähnliche Reise 55 Jahre später in umgekehrter Richtung und Reihenfolge unternommen hat.
 
Hans-Erhard Lessing hat das seinerzeit im Selbstverlag von Heinrich Horstmann herausgegebene kuriose Buch kurz vor der letzten Jahrhundertwende in der Stadtbibliothek Wuppertal aufgestöbert, neu herausgegeben und kommentiert. Der Maxime Verlag Maxi Kutschera in Leipzig hat im Jahr 2000 die hübsche Ausgabe besorgt und hält sie mittlerweile in 6. erweiterter und ergänzter Auflage vorrätig. Der Verlag schreibt: Wieder aufgelegt und ergänzt durch biographische Angaben, Presseberichte und Fakten, die er selbst verschwieg, ist dieses Buch die Erfolgsstory eines aufgeweckten und wagemutigen Jugendlichen. Der Leser wird verstehen, warum dieser junge Mann es in seinem weiteren Leben noch bis zur Achtzylinder-Horch-Limousine mit Chauffeur brachte.“ Wir empfehlen das Buch zur kurzweiligen Lektüre.
 
Heinrich Horstmann – „Meine Radreise um die Erde“
Der Bericht des ersten deutschen Fahrradweltreisenden anno 1895
 
© 2000/2007 Maxime Verlag Maxi Kutschera, 318 Seiten, gebunden, 15 Abbildungen
ISBN 978-3-931965-06-8
19,95 €
 
Weitere Informationen: www.maxime-verlag.de