In der Mitte der Welt

Simon Garfield – „Karten!“

von Robert Sernatini

Simon Garfield – „Karten!“
 
Ein Buch über Entdecker, geniale Kartografen
und Berge, die es nie gab.
 
Die Ferien kündigen sich an. Der Urlaub wird geplant. Sie bereiten sich auf eine Reise vor. Schauen Sie auch heute, im Zeitalter der Satelliten-Navigation noch auf Landkarten? Es gab einmal eine Zeit – Jugendlichen heute kaum noch zu vermitteln – in der man zur Orientierung im eigenen und noch mehr in fremden Ländern auf die Kunst von Kartographen angewiesen war, Kartenblätter ausfaltete und einnordete, um den richtigen Weg zum ersehnten Reiseziel zu finden. Erinnern Sie sich noch an Frank Jacobs´ Buch „Seltsame Karten“, das wir Ihnen 2012 hier vorgestellt haben? Simon Garfield, englischer Journalist, gab im selben Jahr sein umfangreiches Werk über die Kartographie, ihre Triumphe und Irtümer „On the map“ heraus, das jetzt – von Katja Hald und Karin Schuler hervorragend ins Deutsche übersetzt – unter den schlichten Titel „Karten!“ beim Theiss Verlag zu haben ist.
 
Simon Garfield mußte einen weiten historischen Bogen von Erathostenes, Herodot und Ptolemäus über Mercator, Frau Mauro und Murrays Handbooks bis zu Google Earth und Paul Butlers Facebook-Weltkarte schlagen, um das so umfangreiche wie anspruchsvolle Thema erschöpfend zu beleuchten. Er hat das Faszinosum der Vermessung und Kartographie der Welt, die dem Benutzer eine virtuelle Reise in den abgelegensten Winkel der Erde ermöglichen und dem Reisenden trotz aller technischen Neuerungen bis heute unschätzbare Hilfe bei der Orientierung sind, auf 520 Seiten zu einer überaus spannenden und informativen Geschichte verarbeitet. Der Leser nimmt an den aufregenden Expeditionen der Weltentdecker Christoph Columbus, James Cook und Mungo Park teil, erlebt die harten Entbehrungen der Südpolarforscher Ernest Shackleton, Robert Scott und Roald Amundsen mit und verfolgt den schrecklichen Untergang der leichtfertig geplanten Australiendurchquerung von Burke und Wills im Jahr 1860. Karten dokumentieren diese Reisen, oft als letztes Vermächtnis der Abenteurer. Garfield erzählt von Sammlern, Kartenstechern und Globen, von fiktiven Karten der Literatur, U-Bahn-Plänen und von den afrikanischen Kong-Bergen, die es nie gab, die sich aber bis ins 20. Jahrhundert auf Karten behaupten konnten. Er widmet auch dem menschlichen Gehirn und dessen Bauplan ein Kpaitel, in dem er u.a. mit dem Vorurteil aufräumt, Frauen könnten keine Karten lesen. Man wird kaum ein kundiger erzähltes, unterhaltsameres Buch über das Thema finden, zumal es gleichzeitig brillante Information gibt und für gewiß viele Leser neuen Zugang zu hochinteressantem Wissen vermittelt. Ein Buch für den ganzen Urlaub und später für einen bevorzugten Platz im Bücherschrank. Man wird es nämlich immer wieder gerne zur Hand nehmen. Dafür unser Prädikat, den Musenkuß.
 
Simon Garfield – „Karten!“
© 2014 Theiss Verlag, 520 Seiten, gebunden, mit vielen s/w-Abbildungen, Bibliographie und umfangreichem Register

Weitere Informationen:  www.wbg-verlage.de

Zur begleitenden Lektüre empfohlen: Frank Jacobs – „Seltsame Karten“
2012 Liebeskind Verlag (Strange Maps, 2009) - Ein Atlas kartographischer Kuriositäten