Wer mit dem Teufel aus einer Schüssel essen will...

Richard Schuberth – „Das neue Wörterbuch des Teufels“ / „Neue Deutsche Aphorismen“ – Alexander Eilers/Tobias Grüterich (Hrsg.)

von Robert Sernatini

Langer Löffel
 
Wer mit dem Teufel aus einer Schüssel essen will, muß einen langen Löffel haben.“ Richard Schuberth hat sich einen geschnitzt. Mit seinem „Neuen Wörterbuch des Teufels“ und einem Essay erweist er seinem literarischen Ahnen Ambrose Bierce und dessen teuflischem Wörterbuch Reverenz, wobei er zugleich einen artigen Kratzfuß vor seinem großen Landsmann Karl Kraus macht. Im Grunde könnte hier die Rezension dieses Buches enden, mit den beiden Namen ist eigentlich alles gesagt. Aber das wäre zu schade, denn was Schuberth auf 158 Seiten zu neuen Begriffen oder zu neuen Sichten auf Bekanntes und dessen aphoristische Deutung zu sagen hat, was ihm zum Aphorismus an sich, zu Ambrose Bierces Kunst der Formulierung und Karl Kraus´ aphoristischem Biß aus der Feder geflossen ist, verdient schon ein paar Sätze mehr. Wobei man sich als Rezensent allerdings auf ein ganz schmales Brett wagt – zu leicht könnte man am Autor gemessen werden.

„in“ – schon wieder out
„Betroffenheit“ – Feiler Gefühlsfummel derer, die es nicht betrifft.
„Femen“ – Feminismus, zu dem Männer auch onanieren können.
„Behinderter“ – Mensch, der durch Stiegen, Gehsteigkanten und Mitleid behindert wird.
„Inländer“ – Mensch, der nicht wegen seiner mangelnden Kenntnisse der Landessprache abgeschoben werden darf.
„Solidarität“ – Solidarität ist die Zärtlichkeit der Besitzenden zueinander. Und der Besitzlosen gegenüber den Banken.
„Lebensabschnittspartner“ – Mensch, der einem ein Stück vom Leben abgeschnitten hat.
„Feuilleton“ – Rubbelfeld in der Zeitung, aus dem man sich die Meinung holt, die man nachher immer schon gehabt haben wird.
„Argument“ – Fiese Waffe, die der Besserwisser im Ärmel trägt und uns in den Rücken stößt, wenn er sich unserer ehrlichen Schlichtheit nicht mehr gewachsen fühlt.
„Zukunft“ – Zeit, die nach der Sintflut kommt, welche wiederum nach mir kommt.
 
Das sind nur ein paar Bröckchen, aus der neuen Schüssel des Teufels-Wörterbuchs gelöffelt. Richard Schuberth hat noch etliches Schmackhafte mehr, sozusagen al dente, zu bieten. Augenmerk möchte ich aber auch und besonders auf seine eloquenten essayistischen Betrachtungen zu Bierce, Kraus & Co. sowie auf den umfangreichen Aufsatz „Schaum und Blasen“ lenken, in dem er dicht bei Wilmont Haacke selbstbespiegelnd an die eigenen Wurzeln und die Charakteristik des Aphorismus schlechthin geht. Höchst lesenswert.
 
Richard Schuberth – „Das neue Wörterbuch des Teufels“
2014 Klever Verlag Wien (Klever / Essay), 227 Seiten, gebunden – ISBN 9783902665751
19,90 €
Weitere Informationen :  www.klever-verlag.com 
 
 
Der Aphorismus lebt
 
„Einem guten Aphorismus gelingt es,
einem beredten Schweigen das Wort zu erteilen.“
(Felix Renner)
 
Wie lebendig und aktuell der Aphorismus in der deutschen Sprache ist und wie er gepflegt wird, belegt auch die kürzlich in überarbeiteter Neuauflage erschienene Sammlung „Neue Deutsche Aphorismen“ aus der edition AZUR. Alexander Eilers und Tobias Grüterich haben in der liebevoll und sorgfältig zusammengestellten Anthologie1.315 ausgewählte Aphorismen von 103 Autoren versammelt, darunter Werner Schneyder, Tobias Grüterich, Martin Walser, Andreas Steffens, Elazar Benyoëz, Peter Handke, Stefan Brotbeck, Ulrich Horstmann, Manfred Rommel.
„Jobs entstehen, wenn Arbeit verloren geht. (Tobias Grüterich)
„Sein zweites Buch machte ihn mit einem Schlage unbekannt.“ (Dieter Rudolf Knoell)
„Wenn ich nur wüßte, wogegen es sich zu kämpfen nicht lohnt.“ (Edith Linvers)
„Hohe Schule: Sich Erregungen nicht durch Lust verderben zu lassen.“ (Beat Schmid)
„Unentbehrlich ist nur, wer in niemandes Diensten steht.“ (Andreas Steffens)
„Es genügt nicht, unpraktisch veranlagt zu sein. Man muß auch etwas damit anzufangen wissen.“ (Ulrich Horstmann)
„Er hält sich für klug. Ich hätte ihn für klüger gehalten.“ (Gerd W. Heyse)
 
Der Verlag dazu: „Der Aphorismus hat eine traditionsreiche Vergangenheit, aber kein Existenzrecht in der Gegenwartsliteratur – und auch keine
Zukunft. Dieses pessimistische Resümee dürften zahlreiche Rezensenten, Herausgeber und Autoren vorbehaltlos unterschreiben. Zwei jedoch verweigern die Unterschrift: Alexander Eilers und Tobias Grüterich.

Mit der erweiterten und überarbeiteten Zweitauflage der Neuen deutschen Aphorismen zeigen sie, dass die zeitgenössische deutschsprachige Aphoristik einiges zu bieten hat. Die Anthologie, erstmals 2010 erschienen und rasch vergriffen, ist schon jetzt ein Standardwerk.“
 
Das mag man als Rezipient wie als Rezensent gerne unterschreiben, ist die Sammlung nebst ihren bibliographischen Daten doch höchst kurzweilig, intelligent und informativ zugleich. Ich möchte Ihnen den schönen Band mehr als empfehlen, d.h., ihn Ihnen sehr ans Herz legen.
 

„Neue Deutsche Aphorismen“ – Alexander Eilers/Tobias Grüterich (Hrsg.)
© 2014 adition AZUR, 352 Seiten, gebunden, Lesebändchen - mit einem erläuternden essayistischen Nachwort der Herausgeber, Autorenbiographien, Quellenverzeichnis und Stichwortregister. – ISBN 978-3-942375-12-2
25,- €
Weitere Informationen:  www.edition-azur.de