Das Rheinland und seine „sichere“ Seite (2)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Das Rheinland
und seine „sichere“ Seite (2)
 
Un dat janze Spill ging ja dann weiter: große Versicherungsideen haben immer schon großzügiges Denken gefördert, hier die Hl. Ursula war so ein Fall, ich meine: ohne die großen Prämien aus der LV wäre der Hunne doch nie auf die Idee gekommen, 11.000 Jungfrauen + Ursula einen Kopf kürzer zu machen, ne, muß man ja auch sagen: Respekt! ich meine: die eigene Frau oder so: Normal! Aber gleich 11.000! Zeigt ja doch eine gewisse Großzügigkeit, ne. Aber dat is ja überhaupt so ein Thema, wenn man mal so überlegt, wat et Agrippina als Erfinderin der Versicherungsidee alles losjetreten hat, da gibt et ja zum Beispiel reihenweise rheinische Versicherungsvertreter, die zu Recht wegen ihrer Verdienste um das Versicherungswesen berühmt geworden sind und zum Teil sojar den goldenen Schein verliehen bekommen haben, also heilig jesprochen wurden, hier der Hl. Lazarus ist so ein Fall, jebürtig aus Gnadenthal, später in den Nahen Osten ausjewandert, der Erfinder vom Krankentagegeld - wenn es nach dem jejangen wär, läg der heute noch im Verbandszeug eröm, oder Anna von Kleve, wat ja schon noch zum Rheinland gehört, eine der vielen Frauen von Heinrich VIII., sie hat die Hausratsversicherung erfunden, deshalb hat der ja alle Frauen umgebracht, wegen der Police, klar, die Anna aber mußte er leben lassen, weil die die Police innehatte, ne, oder Konrad Adenauer, Erfinder des Erlebensfalles, weil: ohne dieses Ziel vor Augen, wer weiß, wie jung der gestorben wäre wär, oder damals in den 50er Jahren Erich Mende, Erfinder der Umfall-Versicherung, ich meine, wat ich sagen will: dat sind ja Namen, die am Versicherungshimmel strahlen, unwahrscheinlich, und ohne das Rheinland gäb et dat ja alles net.
 
1960 Jahre rheinische Versicherung oder esu (weil et Agrippina im jahre 55 die Lebensversicherung zugunsten ihres Sohnes Nero abjeschlossen hat, wat ihr ja dann dat Jenick gebrochen hat. Wobei ich auf etwas ganz deutlich hinweisen möchte: es gibt eine Gemeinsamkeit der Zeit der ersten Versicherungsideen im alten Rom mit der Zeit, in der im Rheinland die erste regionale Versicherungsgesellschaft gegründet wurde: beides waren Zeiten, in denen der normale Glauben verfolgt wurden. Im alten Rom sowieso aber in der Zeit der Gründung ebenso, auch da seitens der staatlichen Behörden. Der Bismarckstaat hat zwar den normalen Glauben jetzt nicht mehr als Pechfackel mißbraucht oder sie mit dem Docht im Kopp durchs Land laufen lassen, aber sie haben Klöster aufgelöst und dem Vatikan jedwede juristische Aktivität im deutschen Reich verboten – streng genommen hätte der Papst in Deutschland jetzt noch netens einen exkommunizieren dürfen. Das hat natürlich Widerstand gegeben seitens des normalen Glaubens und da wurde – wat dat Rheinland betrifft – Neuss immer mehr zum Zentrum derer, die man damals die Ultramontanen jenannt hat.
Und da simmer bei der besagten Gründung: da hat doch der damalige Landrat, also nicht der Dieter Patt sondern der Hermann Seul, tatsächlich unterstellt, die Gründung erfolge nur aus dem Bestreben „Geldmittel für die Agitation und die Zwecke der ultramontanen Partei zu beschaffen“,, wat ja schon eine Unverschämtheit ist. Aber: es hat die Idee, eine Versicherung in Konkurrenz zur Provinzial zu gründen geradezu beflügelt. Dann ging erstmal alles auf die lange preußische Verwaltungsbank, aber 1880 schließlich war es soweit: die Feuer-Versicherungs-Gesellschaft Rheinland war gegründet. Und man hat direkt auch dat richtije jetan: 108 Agenturen im Regierungsbezirk Düsseldorf und 49 im Regierungsbezirk Aachen aufgemacht und das ist jenau der Punkt, der rheinische Versicherungsgesellschaften von den hochdeutschen unterscheidet: der Rheinländer positioniert sich erstmal da, wo he zu Hus es, also quasi da, wo ihn jeder kennt und wo er jeden kennt. Und dat es dat Jeheimnis des Erfolgs bis heute.
Schon damals schrieb dat Monschauer Volksblatt, daß es absolut richtig ist „unser gutes Geld, welches jetzt in den Händen unserer Gegner zu unserer Geißel wird (womit die preußische Provinzial gemeint war!), der Feuerversicherungsgesellschaft RheinLand zuzuführen“ – ich meine, Sie können sich ja vorstellen, dat die janzen Eifeler Buure nach so einem Artikel scharenweise, wat heißt scharenweise: eine Ortschaft jeschlossen nach der anderen!, zum Werhahn jelaufen jekommen sind. Selbst Josef Kardinal Frings soll noch von diesem positiven Image und damit der Stadt Neuss profitiert haben – sagt man. Und dabei ist es ja geblieben – bis heute. Die klugen Worte, und das meine ich in keiner Weise ironisch, von Heribert Werhahn, die er 1989 formulierte: „Das Privatkundengeschäft erfordert lokale Präsenz“, weshalb sich die RheinLand „schwerpunktmäßig entlang der Rheinschiene bewegen“ muß, bestätigen erneut, daß man diese kluge Politik immer verfolgt hat, bestätigen aber auch, wo eine Versicherung ganz generell zu sein hat: bei den Menschen. Das ist ganz bestimmt einer der Gründe, warum es diesen Anachronismus noch gibt: eine Versicherung, die in Familienbesitz ist und noch nicht von den Haien gefressen wurde, wo jitt et dann esu jet! Außerhalb des Rheinlandes sicherlich nicht, esu jet jitt et nur bei uns! 
 
Und wie das im Einzelfall aussehen kann, kann ich Ihnen auch sagen, ich habe es – Jahre her – selbst mal erlebt:
Ich ston en dr Weetschaft, ovends, wat weiß ich, ellef Uhr oder esu. Do kütt einer erein, dä Jupp von dr Versicherung. Mein Nachbar begrüßt ihn:
„Tach Jupp, wo küss Du dann he?”
„Och, ich kummen vun enem Termin.”
„Wie: sid Ihr vun dr Versicherung um die Zick noch om arbigge?”
„Tja willse maache: dä hätt mich ovends um zehn ens anjerufe. Wasserschade”.
„Wie: Wasserschaden? Es demm der Klo övverjeloofe?”
„Jenau!”
„Jo un wat häss Du dann domet am Hut?”
„Jo amfürsich nix, also jetz me’m Wasser direkt, ne. Nur: weiß jo, wie dat es: alter Kunde, ne, un do willse jo och net nur mem Blatt Papier erövver für der Schaden für opzonemme...”
„Jo hätt dä nit dä HandwerkerNotdienst anjerofe?”
„Sicher dat. Ewwer, kennst dat jo: bis die kumme hässe ding Einrichtung längst at em Schlauchboot”
„Jo wie: häss Du dann denne dä Klo frei jepump?”
„Jo sicher!”
„Un? Hät jeklapp?”
„Kann ich Dir sage: dä Schnarchsack vum Handwerker-Notdienst stund ei Stund später vür dr Dür, do hatt ich dr Avfluß at repareet un dr Schaden opjenomme!”
„Du ärmen Deuwel, kumm, don Dir ei Kölsch. Ewwer he, wo Du jradens vun Schaden am Spreche bes: ich wollt Dich amfürsich morje früh anjerufe han, ewwer wo Du suwiesu he bes... Hier: dä Klein, dä Marcel, kennse jo, fünnef Johr, ne, dä hätt sich hück nohmeddach en dr Finger jeschnigge, met minger Brill, wo ich dropjetrodde wor, un wie dä do stund, die janze Hand voll Blot, wollt ming Frau dä Klein en dr Ärm nemme, stolpert un hät sich dä Ärm jebroche un jetzt wollt ich ens froge, wie mir dat dann versicherungstechnisch en die Reih krieje künne....”.
 
Und als ich gegen eins nach Hause ging, waren die beiden immer noch dran. Un dat es schön!
 
Mögen die drei Artikel des rheinischen Grundgesetzes weiterhin ihre schützende Hand über das Rheinland halten:
Et es wie’t es
Et kütt wie’t kütt
Et hätt noch immer jot jejange.
 

In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
 

©  2014 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker