Isabelle Huppert bei den Ruhrfestspielen

Welt-Theater mit "Les fausses confidences"

von Andreas Rehnolt

Isabelle Huppert glänzte als Araminte
bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen
 
Zwei Stunden Welt-Theater mit der zauberhaften Geschichte
"Les fausses confidences" (Die falschen Vertraulichkeiten)
 
Die weltweit anerkannte Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert hat am Wochenende bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen in der Rolle der Araminte in dem Stück "Les fausses confidences" (Die falschen Vertraulichkeiten) geglänzt. Das Stück von Pierre Carlet de Marivaux brachte der nicht minder berühmte Regisseur Luc Bondy als Deutschlandpremiere auf die Bühne des traditionsreichen Kulturfestivals in der Revierstadt. Am Ende der gut zweistündigen Inszenierung am vergangenen Freitag gab es minutenlangen Beifall für Stück und Schauspieler und weiße Rosen für die Akteure. Auch am Samstag und am Sonntag gab es Aufführungen im Großen Haus. 
Das in Koproduktion der Ruhrfestspiele mit dem Pariser Odéon Theater inszenierte Stück stammt aus dem Jahr 1736 und handelt wie alle Stücke von Marivaux davon, daß Liebe immer auch Theater ist. So tief die Leidenschaft auch sein mag, ist sie doch immer auch Gegenstand der Verhandlung, der Sprache, des Spiels. Gefühle sind nicht einfach da. Man teilt sie mit, man stellt sie dar, man übertreibt, dramatisiert, will wirken, gefallen und erobern. In Recklinghausen wird natürlich französisch gesprochen, die deutsche Übersetzung kommt als Text - leider etwas zu schnell - auf zwei Leinwänden neben der Bühne.
 
Die 61jährige Huppert ist in der Inszenierung die elegante und wohlhabende Dame Araminte und ist vor allem eins: unnahbar, kühl und ganz auf Etikette aus. Dazu paßt das Bühnenbild von Johannes Schütz. 'Zig Dutzend edeler, hochhackiger Schuhe, ein Schreibtisch, ein offener Kamin und gigantisch hohe Türen lassen auf ein Schloß, zumindest aber auf eine Reichen-Villa als Ort des Geschehens schließen. Huppert in einem Hauch von weißem Satin-Hosenanzug, schwingt bereits am frühen Morgen ihr Champagner-Glas, fächelt sich mit dicken Geldbündeln auf dem Schreibtisch Kühlung zu und läßt den Vormittag inmitten ihrer Schuh-Landschaft beim Tai-Chi vorüberfließen. 
Huppert gibt die Traumfrau, die man ihr leicht abnimmt, für viele im Zuschauerraum ist sie die ewig hübsche, die kaum alternde, die perfekte Schauspielerin. Völlig im Kontrast zu ihr die von Bondy recht schlampig eingekleidete Dienerschaft. Alle scheinen sie zu vergöttern. Vor allem der hübsche Durante, der es auf die Witwe abgesehen hat und der sie nach vielen Irren und Wirren auch bekommen soll. Dafür sorgt nicht zuletzt Durantes ehemaliger Diener Dubois, der jetzt bei Madame Araminte in Lohn und Brot ist mit Lügen, Intrigen und gefälschten Briefen.
Am Ende, als die Liebenden in ihrer Verrücktheit sich haben, wenn Durante Araminte hochhebt, auf dem Kaminsims absetzt und sich selbst auf den Boden weiter weg an die Wand legt, da geht in Recklinghausen der Himmel auf. Es wird Nacht. Beide schließen die Augen. Die Sterne funkeln im Theaterhimmel, das Licht geht aus und jeder Besucher malt sich den Fortgang ihrer Geschichte aus. Ein One-Night-Stand oder eine Ehe, eine Seligkeit des Glücks oder eine Beziehungs-Katastrophe. Wer weiß.