Terézia Mora und das Ungeheuer

Wuppertaler Literatur Biennale 2014

von Jürgen Kasten

Terézia Mora und das Ungeheuer
 
Wuppertaler Literatur Biennale 2014
Unterwegs nach Europa
 
Hubert Spiegel ist nicht das Ungeheuer. Er, Literaturkritiker der FAZ und Kenner des literarischen Werkes Terézia Moras, führte durch den Abend im TalTon Theater und ließ Mora über ihre Intentionen beim Schreiben berichten. Gestenreich ging sie gerne auf Spiegels Fragen ein und natürlich las sie auch aus ihrem neuen Roman „Das Ungeheuer“, für den sie 2013 den „Deutschen Buchpreis“ erhielt.
Preise hat Terézia Mora schon viele eingeheimst, nicht nur für ihre Romane und Erzählungen, auch für ihre Übersetzungen und ein Drehbuch. Das habe sie ja auch schließlich studiert, und daß Peter Esterházy ein schwer zu übersetzender ungarischer Schriftsteller sei, würde sie so auch nicht sagen. Terézia Mora wurde 1971 in Ungarn geboren, wuchs zweisprachig auf, siedelte 1990 nach Berlin über und arbeitet seit 1998 als freie Autorin.
Ihre letzten Romane hat sie als Trilogie angelegt, jeweils über 600 Seiten lang.  In „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ führte sie ihre Figur des Darius Kopp ein, einen IT-Spezialisten, Europavertreter eines weltweit agierenden Konzerns. Im aktuellen zweiten Buch „Das Ungeheuer“, gerät das Leben des Darius Kopp aus den Fugen. Er wird arbeitslos, seine Frau Flora verläßt ihn mittels Suizid. Schaut er morgens in den Spiegel, blickt ihm dort ein Ungeheuer entgegen. Eine traumatisierte Reise nach Südosteuropa beginnt. Kopp ist auf der Suche nach einem Platz, an dem er die Asche seiner Frau Flora in ihre heimatliche Erde bringen kann und er sucht sich selbst, seine Vergangenheit. Was er findet, sind zunächst Tagebuchaufzeichnungen Floras, und nicht nur solche. In den Dateien ihres PC befinden sich auch Übersetzungen, Erzählungen und etwas Lyrik. Nicht nur Kopp, auch die Leser sollen kennenlernen, was Flora gelesen hatte und wie sie dachte. Die  Aufzeichnungen zeigen den Verlauf ihrer Krankheit, ihrer Depressionen und führen bis hin zum Suizid.
 
Das Besondere an diesem Buch: Ein Großteil der Seiten ist mittels eines durchgehenden Striches zweigeteilt. Im oberen Seitenteil

Terezia Mora - Foto © Jürgen Kasten
wird die Handlung weitergeführt. Im unteren stehen Floras Aufzeichnungen. Die Leser müssen entscheiden, wie sie damit umgehen. Lesen sie den kompletten Text hintereinander weg, oder parallel? Terézia Mora vergleicht diese Art des Schreibens mit einem „split screen“. Wie in die laufende Handlung eines Films wird hier ein zweites Bild eingeblendet, das die tote Flora sehr präsent macht.
Moderator Spiegel sah in der Leichtigkeit der Schreibweise eine weitere Verbindung zum Film: Er führte die „fliegende Kamera“ eines Michael Ballhaus an, der Personen mit einer Kamera-Umfahrt vollständig erfaßte. Mora stimmte zu, meinte aber, daß Prosa mehr kann. Schon frühzeitig habe sie sich entschlossen, ihre Hauptarbeit auf die Prosa zu richten, da man nur damit in das Denken und Fühlen einer Person hineingehen kann und auch wieder hinaus. Das könne ein Film nicht leisten.
Wie es sei, in einer Veranstaltung fünf mal neunzig Minuten vorzulesen. Könne oder müsse man dann zwangsläufig über sein eigenes Werk reflektieren?, wollte Spiegel wissen. Auch dem stimmte Mora zu, und außerdem habe sie dabei auch viel über sich selbst erfahren. Das sei nicht anstrengend, sondern erbauend gewesen.

Und das war auch der Abend im TalTon Theater. Mit Sicherheit hat die Literatur Biennale weitere Höhepunkte zu bieten. Bleiben Sie dran. Das vollständige Programm unter
www.wuppertaler-literatur-biennale.de .

„Das Ungeheuer“ erschien 2013 im Luchterhand Literaturverlag, Hardcover mit Schutzumschlag, 688 Seiten, ISBN: 978-3-630-87365-7, € 22,90, € 23,70 (A), sFr. 32,90 (CH).
 
Redaktion: Frank Becker