„Gebrochener Glanz“
Römische Großbronzen aus der Limes-Region
im LVR-LandesMuseum in Bonn
Denkmalsturz
Kurz nachdem die US-Truppen im sog. Dritten Golfkrieg (auch Zweiter Irakkrieg genannt) Bagdad eingenommen hatten, wurde dort auf dem Firdos-Platz (Paradies-Platz) am 9. April 2003 vor den Augen der an den Fernsehschirmen versammelten Weltgemeinschaft die überlebensgroße Bronzestatue Saddam Husseins vom Sockel gerissen. Mit diesem Vorgang wurde im frühen 21. Jahrhundert an eine Praxis angeknüpft, deren Tradition historisch weit zurückreicht. Gemeint ist die Praxis des Denkmalsturzes als eine Spielart des politischen Ikonoklasmus. Schon im alten Ägypten verbreitet, war die Beschädigung, Zerstörung und Beseitigung von Bildnissen mißliebiger oder entmachteter Herrscher insbesondere im römischen Reich eine übliche Vorgehensweise, um diese Personen gleichsam „in effigie“ hinzurichten und der öffentlichen Wahrnehmung, ja Verehrung, zu entziehen. Fließend sind die Übergänge zum religiösen Ikonoklasmus. So wurden in der Spätantike und im frühen Mittelalter unter christlichen Vorzeichen im großen Maßstab als heidnisch geltende antike Bronzen aus religiösen Gründen zerstört und eingeschmolzen, und das heute auf dem Kapitolsplatz in Rom stehende Reiterstandbild des römischen Kaisers Marc Aurel entging nur deshalb der Zerstörung, weil es irrtümlich für Konstantin, den ersten christlichen Kaiser, gehalten wurde.
Bilanz eines Forschungsprojekts
Im Bonner LVR-LandesMuseum mit seinen reichen Sammlungsbeständen aus der Zeit der Römer am Rhein wird nun eine spannende Ausstellung mit – meist fragmentarisch erhaltenen – römischen Großbronzen gezeigt, die in den Gebieten des Limes, also der östlichen Grenzregion des
Die aufwendige Ausstattung von Militärlagern und Zivilsiedlungen mit Ehrenstatuen und Götterbildnissen gehörte im gesamten römischen Reich ebenso zum Standard wie die Aufstellung von Skulpturen als Kunstwerke in den Privathäusern und Villen reicher und privilegierter Bürger. Diese repräsentativen Großbronzen waren in doppelter Hinsicht glanzvoll, und zwar im Sinne von großartig, herausragend, grandios, und – ganz vordergründig – im Sinne von strahlend, blinkend, glitzernd, waren sie ursprünglich doch häufig vergoldet, wie zahlreiche Exponate der Schau im Bonner Landesmuseum bestätigen. Da die meisten der gezeigten Fundstücke aber nur noch bruchstückhaft überliefert sind, könnte der Titel „Gebrochener Glanz“ nicht treffender gewählt sein. Das Spektrum reicht von kleinteiligem Metallschrott, der recycelt wurde, bis hin zu Gliedmaßen wie Beinen, Füßen, Händen und Fingern, auch ein Bronzepenis ist dabei, ferner Häuptern von Herrschern und Gottheiten sowie einem überaus edlen Pferdekopf aus Augsburg (gegründet unter Kaiser Augustus), der von einem Reiterstandbild oder einem Gespann (Biga oder Quadriga) stammen dürfte. Zu den Highlights der Ausstellung gehört der Abguß des fast vollständig erhaltenen sog. Xantener Knaben. Das Original dieser anmutigen Bronze, einer Schrittfigur, die als stummer Diener fungierte, wurde im Jahr 1858 in der Uferzone des Rheins gefunden und befindet sich heute in der Antikensammlung in Berlin (Neues Museum).
Ursachen der Zerstörung
Es ist bekannt, daß zu jeder römischen Niederlassung, ob Legionslager, Handelsmetropole, Veteranensiedlung oder Verwaltungszentrum, ein
Die exzellent inszenierte Bonner Ausstellung ist außerordentlich informativ und lohnt nicht zuletzt auch deshalb, weil sie eine Schule des Sehens ist. Denn die Fokussierung auf Fragmentarisches schärft den Blick für Ungeschautes bzw. Übersehenes, also für Details wie die Hand eines Faustkämpfers mit Schlagring, den reich verzierten Stiefel oder die detailliert ausgearbeitete vergoldete Monumentalhand eines Imperators, um nur einige Beispiele aus der Fülle der Exponate herauszugreifen. Die Ausstellung wandert im Anschluß ins Limesmuseum Aalen in Baden-Württemberg, wo sich einst ein römisches Reiterkastell befand, und ins Museum Het Valkhof in Nijmegen, dem römischen Ulpia Noviomagus Batavorum.
LVR LandesMuseum Bonn - bis 20. Juli 2014
Zur Ausstellung ist ein reich bebildertes Katalogbuch im Nünnerich-Asmus-Verlag erschienen. Preis im Buchhandel 29,90 Euro, im Museumsshop 19,90 Euro. |