Der zerbrochene Pegasus

Das Landestheater Detmold gibt „Kabale und Liebe“

von Frank Becker

Der zerbrochene Pegasus
 
Das Landestheater Detmold gibt
„Kabale und Liebe“
 
 
Fühlst du dich wohl, Luise?
(Ferdinand, 7. Szene)
 
Inszenierung: Martin Pfaff – Ausstattung: Ines Alda – Dramaturgie: Christian Katzschmann
Besetzung: Präsident von Walter (Joachim Ruczynski) – Ferdinand (Martin Krah) - Lady Milford (EwaRataj) – Wurm (Philipp Baumgarten) – Kalb (Robert Andrej Augustin) – Miller (Jürgen Roth) - Luise Miller (Jenny-Ellen Riemann) – Millerin (Kerstin Klinder)
 
 
In dem noch in Schillers Jugendfeuer brennenden  „Bürgerlichen Trauerspiel“  können die ins Weiß der Unschuld gekleidete Jenny-Ellen Riemann (Luise) und Martin Krah (Ferdinand) in der Inszenierung Martin Pfaffs mit vollen Händen aus dem Sturm und Drang Klingers und dem Königskinder-Motiv schöpfen. Das endet, wie wir wissen, unvermeidlich fatal. Der damals 24-jährige bürgerliche Friedrich Schiller (geadelt wurde er erst 1802) beruft sich in dem vor 230 Jahren uraufgeführten Stück auf gleich zwei große Kollegen und deren thematische Parallelen: William Shakespeares „Romeo und Julia“ und Gotthold Ephraim Lessings „Emilia Galotti“.
Die Tragik unerfüllter adoleszenter Liebe erreicht und bewegt ihr Publikum immer – gesellschaftskritische Ansätze lassen sich also wunderbar darin verpacken. Es ist wohl deshalb in diesem Jahr das zentrale Abiturthema. Sergio Garcia Romero (18) und Alexander Geburzi (18), die das Drama im Unterricht gelesen haben und neben vielen anderen Schülern am vergangenen Sonntag die Vorstellung besuchten, versprachen sich durchaus Gewinn aus dem Besuch der Gastspiel-Vorstellung der Detmolder Bühne (eine Wiederaufnahme) im Remscheider Teo Otto Theater.
 
Ferdinand, Major und Sohn des Präsidenten von Walter liebt Luise, die Tochter des Musikers Miller. Sowohl Ferdinands Vater als auch Miller lehnen eine Verbindung ihrer Kinder aus Dünkel ab. Präsident von Walter will Ferdinand mit der Mätresse des Herzogs, Lady Milford, verheiraten, um seinen Einfluß bei Hof zu vergrößern. Ferdinand kündigt ihm den Gehorsam auf und will Luise zur Flucht überreden. Er gesteht Lady Milford seine Liebe zu Luise, doch erst als die mit Luise selber spricht und mit deren reinem Wesen konfrontiert wird, gibt ihre Heiratsabsichten auf und verläßt das Land. Um zu verhindern, daß Ferdinand seine Drohung wahrmacht, nämlich den Hof über die korrupten Machenschaften seines Vaters aufzuklären und zu verraten, „wie man Präsident wird“, werden Luises Eltern grundlos verhaftet. Vor dem sicheren Tod, so erklärt der intrigante Secretarius Wurm Luise, könne sie ihre Eltern nur durch einen an den Hofmarschall von Kalb gerichteten Liebesbrief retten. Der erzwungene Brief wird Ferdinand zugespielt, dessen Eifersucht und Rachegelüste ihn als wenig charakterfest decouvriert. Der Beginn vom tödlichen Ende.


Martin Krah, Ewa Rataj - Foto © Christian Brachwitz
 
Martin Pfaff läßt seine Detmolder Inszenierung zwischen den Relikten eines zerbrochenen weißen Pegasus als einziger Ausstattung spielen. Es gäbe eine Vielzahl symbolischer, auch tiefer psychologischer Erklärungen dafür, doch Pfaff will damit nur das Zerbrechen von Träumen illustrieren. Und derer zerbrechen viele in „Kabale und Liebe“. Die des unglücklichen Paares, dessen Untergang weniger der fiesen Intrige als dem ehrpusseligen Mißtrauen des dauer-aggressiven Hitzkopfs Ferdinand gegenüber Luise geschuldet ist und der Luise egoistisch in den - man nennt das heute „erweiterten Suizid“ - reißt. Mieser kann man eigentlich nicht auf eine eigene Niederlage reagieren. Damit stellt Schiller Ferdinand moralisch auf eine Stufe mit Franz Moor. Zerbrochen auch die Träume der erniedrigten Lady Milford (Ewa Rataj), der Eltern Miller - die Millerin blaß im rosa Twinset, Miller (Jürgen Roth) oft textunverständlich, ein wenig zu viel auf der Luftfidel unterwegs und seine große Szene „Halten zu Gnaden..." nicht nutzend - und die des  aus Liebe zu Luise intriganten Sekretärs Wurm - neben der Milford die dankbarste Rolle, der Philipp Baumgarten exzellent gerecht wird: charaktervoll, zielgerichtet schäbig und doch von Skrupeln geplagt. Er ist wie so oft die Figur mit dem größten Potential – und nutzt es.
 
Trotz beachtlichen emotionalen Einsatzes - es wurde gebrüllt, was das Zeug hielt - und trotz der dräuenden musikalischen Übergänge blieb die Aufführung zwar um einiges hinter den Erwartungen an Schiller zurück, hatte aber starke Momente und fesselte spürbar die atemlosen jugendlichen Zuschauer für fast zwei Stunden.


Weitere Informationen:  www.landestheater-detmold.de