Worte für einen verstorbenen Freund Gewidmet dem Maler Heinz Tetzner (1920 -2007) von Jürgen Koller „Erste Tetzner-Schau im Rheinland“ – so lautete im Mai des Jahres 1997 der reißerische Aufmacher unter der Farbreproduktion eines Selbstbildnisses des Künstlers in einer renommierten Düsseldorfer Tageszeitung. Zusammen mit einem ausführlichen Anlaufartikel und der Abbildung des Holzschnitts „Mutter I“ wurde seinerzeit auf KONTRASTE, eine Ausstellung des anspruchsvollen Aquarell- und Holzschnittschaffens des sächsischen Malers und Grafikers Heinz Tetzner in Langenfeld/Rhld. verwiesen. Diese Schau vereinte seinerzeit dreißig Aquarelle und knapp zwanzig Holzschnitte. Obwohl der Zeitungsaufmacher es mit der historischen Genauigkeit nicht so genau nahm – Heinz Tetzner hatte bereits im Jahre 1984 in der Kölner Galerie Schoofs und 1987 im „Haus des Deutschen Ostens“ in der Bismarckstraße zu Düsseldorf eine Auswahl seiner Arbeiten gezeigt – war die Resonanz beim kunstinteressierten Publikum aus der rheinischen Mittelstadt Langenfeld, ja sogar aus Köln und aus der Landeshauptstadt Düsseldorf beachtlich. Auch die Printmedien, mehrere Tageszeitungen aus der Düsseldorfer Region und diverse Wochenblätter, brachten ausführliche Ankündigungen und Rezensionen. Einerseits waren Publikum und Presse neugierig auf diesen am Expressionismus der Dresdner Künstlergemeinschaft „Brücke“ orientierten Sachsen der älteren Generation und andererseits war eine Ausstellung unter dem Titel „Druckgrafik aus Mittelsachsen“ noch in guter Erinnerung, die gleichfalls in Langenfelds Rathaus-Galerie, programmatisch im Oktober 1990, dem Monat der deutschen Vereinigung, stattgefunden hatte. Damals war Heinz Tetzner mit etlichen Holzschnitten repräsentativ vertreten. Sowohl für die 87er Düsseldorfer Ausstellung als auch für die folgenden Langenfelder Projekte zeichnete der Autor dieser Zeilen verantwortlich. Besonders das außerordentlich positive Medienecho über die Ausstellung KONTRASTE empfanden wir Freunde des Künstlers als so etwas wie eine Wiedergutmachung für die maßlose und arrogante Verunglimpfung, die Georg Baselitz im Juni-Heft 1990 des Kunstmagazins ART ausgesprochen hatte, als dieser generell Künstler aus der
Es war damals ein gutes Gefühl, einem Künstler, einem um fast eine Generation älteren Menschen, dem wir uns, meine Frau und ich, schon seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden fühlten und dessen Werk für uns von immer währender Ausstrahlungskraft und Faszination ist, etwas von dem zurückgeben zu können, was wir in all den Jahren selbst von ihm erfahren haben – vertrauensvolle Zuneigung. Als wir gemeinsam, Heinz Tetzner und ich, im Frühjahr ’97 in seinem kleinen Dachatelier im westsächsischen Gersdorf die aquarellierten Bildnisse, Landschaften und Blumenstücke, aber auch die Holzschnitte für das Vorhaben KONTRASTE auswählten, fragte er mich unvemittelt, ob ich mich noch an Bilder einer Ausstellung der sechziger Jahre in der damaligen Kreisstadt Hohenstein-Ernstthal erinnern könne. Dann stellte Heinz Tetzner plötzlich ein kleines Bildnis in Öl auf die Staffelei, kaum 60 x 50 cm, und drückte mir einen vergilbten Zeitungsausschnitt mit einer Abbildung eben jenes Gemäldes und acht Zeilen Text in die Hand.
Aus heutiger Sicht wäre das alles keiner Erwähnung und keiner Druckzeile wert. Aber noch im Jahre 1969 waren jene Künstler, deren Malerei nicht dem offiziell geforderten ‚sozialistischen Realismus‘ entsprach, vielfältigen Anwürfen und Bedrängnissen ausgesetzt, die nur zu oft auch die künstlerische Existenz bedrohten. Erinnern wir uns – in den Jahren nach dem Mauerbau 1961 in Berlin, Künstler und Kunst waren in der DDR von der freien Kunstwelt ausgesperrt, konnte das SED-Parteiorgan „Neues Deutschland“ tönen, daß es „vom Modernismus nichts zu lernen“ (1962) gäbe. Und die Kunstfunktionärin Ingrid Beyer als eine von den Mächtigen der DDR-Kunstpolitik jener Jahre konnte in ihrem Buch „Die Künstler und der Sozialismus“ (1963) verkünden, daß sich im „Expressionismus die Aufgeregtheit und das ohnmächtige Anrennen des Kleinbürgertums gegen die von ihm nicht verstandenen gesellschaftlichen Widersprüche manifestiere“. In eben dieser Zeit malte in verpönter Manier des expressiven Realismus ein Heinz Tetzner aus der sächsischen Provinz, getragen von religiöser Gesinnung und einer vom kommunistischen DDR-Staat verbotenen Religionsgemeinschaft angehörend, das Porträt eines jungen Mädchens. Zu sehen ist en face ein schmales, weißes Gesicht, umspielt von bläulichen Schatten und eingerahmt von langem, braunen Haar, die schön modellierten Lippen fest geschlossen. Wie so oft finden sich bei Heinz Tetzner in diesem Porträt neben früher Reife aus jugendlicher Einsicht eines jungen Menschen, ein auf sich selbst Zurückgezogensein und ein fast beängstigendes statuarisches Innehalten. Ich meine nicht fehl zu gehen, wenn ich aus heutiger Sicht anmerke, daß die politischen SED-Provinzfürsten damals in ihrer tumben Art gewiß nicht erkannt haben, daß ihnen der Maler Tetzner in jener Kreiskunstausstellung des Frühjahrs 1969 mit diesem Mädchenporträt, das weder etwas mit dem gewünschten euphorischen Optimismus noch mit der faden, naturalisierenden Bildwelt des aufgezwungenen sozialistischen Realismus gemein hatte, für manch in den 50er Jahren erlittene öffentliche Demütigung und Kränkung seine künstlerische Antwort erteilt hatte. Seit den 1960er Jahren haben mich Persönlichkeit und Werk Heinz Tetzners immer aufs neue gefesselt. Die private Verbindung zu Heinz Tetzner und zu seiner Frau Charlotte wurde in all den Jahren aufrecht erhalten und weiter vertieft, trotz unseres späteren Weggangs aus der DDR. Gab es bis 1985 berufsbezogene Arbeitskontakte über den ostdeutschen Künstlerverband, auch ernsthaft bemühte Versuche von mir, den Künstler im „Sächsischen Tageblatt“ der Ost-Liberalen zu würdigen, tauschten meine Frau und ich dann in den Folgejahren mit dem Ehepaar Tetzner unsere neuen bundesdeutschen Lebenserfahrungen und Kunsteinsichten brieflich zwischen West und Ost aus. Wenige Tage vor unserer Ausreise 1985 konnten wir noch für unser letztes DDR-Geld zu einem mehr als fairen Preis das wunderbare Gemälde „Dorf im Winter“ von 1978 erwerben – ein Bild, das uns immer wieder an unser heimatliches Vorerzgebirge erinnert.
Ein dicker Stapel mit Kielfeder an meine Frau und mich geschriebener Briefe ist inzwischen genau so ein zu behütender kostbarer Schatz geworden, wie die originalgrafischen Neujahrsgrüße. Für dieses jahrzehntelang gewährte freundschaftliche Vertrautsein sind wir dem unbestechlichen, stets lauteren Künstler und noblen Menschen Heinz Tetzner zu aus dem Herzen kommenden Dank verpflichtet. Wir sind glücklich, daß wir uns seine Freunde nennen durften. Noch bei unserem letzten Zusammentreffen im Herbst 2006 in seiner Ausstellung „Clowns“, die im Tetzner–Museum Gersdorf gezeigt wurde, antwortete Heinz Tetzner mit der ihm eigenen Bescheidenheit auf die Frage, was er denn so mache in seinem Alter von 86 Jahren? „Na, Bilder malen... ich hab‘ ja nichts anderes gelernt!“ Am 20. August 2007 ist der sächsische Altmeister des expressiven Realismus im 88. Lebensjahr in seinem elterlichen Bergarbeiterhäuschen nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben. © 2007 Jürgen Koller - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007 Veröffentlichung der Bilder mit freundlicher Erlaubnis der Eigentümer und der Erben Tetzner |