Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Gesellschaftswandel per Getränkehandel

23. März: Es ist nicht immer das große Ereignis, das den Menschen glücklich macht. Ich kenne Menschen, die glücklich sind, wenn sie nach dem Genuß des Kaffees die warme Tasse noch ein wenig in der Hand halten dürfen. Welche Umwege wir manchmal gehen müssen. Es ist vielen Menschen nicht klar, daß eine gerade ausgetrunkene Tasse Kaffee auch noch Wärme spenden kann. Sie war nicht nur Form mit Inhalt. Sie ist lebendige Materie, die treu uns an ihre Funktionen erinnert. Sie erinnert an vergangene Genüsse. Ich trinke manchmal meine Kaffeetasse aus und gebe sie dann meiner Frau, die sich damit auf den Balkon zurückzieht um sie in aller Ruhe in ihren Händen zu halten. Natürlich gibt es auch Menschen, die mit solchen Dingen überhaupt nichts anfangen können. Schade eigentlich. So entsteht doch Glück.
 
24. März: Menschen, die man auffällig oft sieht, sollte man ruhig mal ansprechen. Man erlebt da die erstaunlichsten Dinge. Ich traf auf die Weise meine verschollene Ehefrau wieder, mit der ich seit 20 Jahren verheiratet bin. Sie war nur beim Friseur gewesen, ohne mir was davon gesagt zu haben. Kein Wunder, daß ich sie als vermißt gemeldet hatte.
 
25. März: Tapeten für Getränkehandel und andere gewerblich genutzte Räume: Es ist oft festzustellen, daß mancher Getränkehandel in Räumen untergebracht ist, die nicht besonders gestaltet wurden. Da steht Getränkekiste neben Getränkekiste und oft sind nur deren Preisangaben die einzigen Farbtupfer, die die Monotonie diese Räume durchbrechen. Natürlich hängen an den nackten Wänden auch Werbeposter mit Segelschiffen, die an herbes Bier aus dem Norden erinnern, aber trotzdem fehlt diesen Orten oft eine persönliche Note, die zum länger Verweilen einlädt. Wie leicht könnte man das ändern. Auch der Getränkehandel muß umdenken. In einer Stadt, in der das Getränkehandlungswesen wie Pilze aus dem Boden schießt, man den Durstigen anders locken als nur durch Getränke. Es gibt zum Beispiel genug Künstler, die froh wären, wenn ihnen die Wände dieser Örtlichkeiten für Ausstellungen zur Verfügung gestellt würden. Viele Künstler sind froh, mal wieder einen Platz für ihre Kunst zu haben und finden gerade den ungewöhnlichen Rahmen inspirierend. Wenn Künstler jung sind, holen sie sich viele ihrer Inspirationen durch den Genuß von Alkohol und wenn nicht der Getränkehandel sie damit beglücken kann, wer dann? Man bedenke auch den kostenlosen Werbeeffekt. Ein betrunkener Künstler ist immer ein schöner Anblick und regt zur Nachahmung an. Wechselnde Ausstellungen im Getränkehandel machen gerade auch den Kauf von Mineralwasser interessanter. Ich habe mal eine Flasche Wodka gekauft und damit einen Akt schön getrunken. Der Getränkehandel könnte auch Kindergärten ansprechen. Wie schön sähe eine Punica-Oase aus, wenn die Wände durch Kinderzeichnungen aufgelockert wurden. Natürlich ist es schwer dem Getränkehandel ein neues Image zu verpassen, aber ich kenne auch einen Getränkehandel, der verkauft nebenbei selbstgemachte Leberwurst und die Kundschaft ist begeistert. Man muß das Leben ändern wollen, wenn es einem nicht gefällt. Der Getränkehandel könnte da mit gutem Beispiel voran gehen.
 



© 2014 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker