Ein modernes Märchen

Meja Mwangi – „Rafiki“

von Jürgen Kasten

Rafiki

Meja Mwangi

 
´Rafiki` heißt soviel wie ´Freund`, und wenn Leute ihn auf der Straße grüßen, dann bekommt sein Name die Bedeutung, die er ihm selber zuschreibt, als Freund aller Menschen mit seiner Gitarre durch die Straßen zu ziehen. Nanyuki heißt die mittlere Kleinstadt in Kenia, in der Rafiki lebt, um seine Identität kämpft, um seinen Lebensunterhalt und um seine Familie.
Ebenda ist auch der Autor Meja Mwangi 1948 geboren, lebt und arbeitet jetzt in Kenia und in Europa. Seine Romane, Kinderbücher, Filme und Theaterstücke sind weltweit bekannt und vielfach ausgezeichnet worden, u.a. 1982 ein Dokumentarfilm über Kenia mit dem Adolf-Grimme-Preis und 1992 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis. In Deutschland hat der Wuppertaler Peter Hammer Verlag mehrere seiner Romane verlegt. Sein neuester, ´Rafiki`, führt nun zurück in seine Heimatstadt.
 
Um die vielen Anspielungen auf historische Hintergründe zu verstehen, muß man nur wissen, daß Kenia eine britische Kolonie war und Nanyuki 1907 von britischen Siedlern gegründet wurde - und dass dort auch das Zentrum des Mau-Mau-Aufstandes gegen die Kolonialmacht gewesen ist.
Meja Mwangis Sprachduktus ist westlicher Literatur gleichzusetzen, also auch für unser Leseverständnis leicht zu verdauen, und um diesen mit einheimischen Idiomen durchsetzten Roman zu lieben, benötigt man lediglich ein offenes Herz und Spaß an ironischen Wortspielereien.
Die Geschichte ist irrwitzig und in einem ebensolchen Tempo erzählt. Als Straßenmusiker hat Rafiki keine Zukunft. Nicht die kleinste Münze kann er damit verdienen. Seine Frau hat es satt, denn das Schulgeld für ihren Sohn muß bezahlt werden und das Studium der Tochter finanziert werden. Sie zieht zurück zu ihren begüterten Eltern und nimmt darüber hinaus die komplette Hauseinrichtung mit. In seiner Verzweiflung beschließt Rafiki, den indischen Elektrohändler zu berauben, der ihn zuletzt aus seinem Laden schmiß. Ein erfolgloser Versuch. Der Inder ist selber pleite. Sämtliche Geräte verkaufte er in den vergangenen Jahren auf Ratenzahlung - und die beglich keiner seiner Kunden. Rafiki beschließt, diese Geräte wieder einzutreiben und gegen Barzahlung weiterzuverkaufen.
 
Damit beginnt ein gehetzter Parcours durch die Stadt und den Laikipia District. Wie er das macht und welch abenteuerliche Situationen er dabei durchsteht, ist einfach toll erzählt. Dabei gelingt es dem Autor, das gesamte Leben Nanyukis einzufangen, die Entwicklung der Gesellschaft vom Mau-Mau-Aufstand bis in die heutige moderne Zeit hinein, mit einer fatalistischen Bevölkerung, die Slums, Armut, Korruption und dadurch entstandenen Reichtum einiger weniger wie gegeben hinnimmt und sich eigene Nischen schafft, um zu überleben.
In der Erzählung klingt keine Bitternis durch; aber Ironie und ganz viel Witz. Der Roman kann auch als modernes Märchen verstanden werden, denn Rafikis Tun verändert die Gesellschaft, die plötzlich begreift, daß Moral eine Tugend ist, die das Zusammenleben für alle erleichtert. Doch das reicht dem Autor noch nicht. Er läßt zum Schluß die Frauen auftrumpfen, denn nur sie sind in der Lage, durchsetzungsfähig eine gerechte Ordnung wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten.
 
Ein absolut lesenswertes Buch, unterhaltsam und spannend, das darüber hinaus dem europäischen Leser auch noch das afrikanische Lebensgefühl verständlich macht.
 
Meja Mwangi – „Rafiki“
Aus dem Englischen von Thomas Brückner
 
© 2014 Peter Hammer Verlag, 326 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-7795-0482-5
€ 22,00 (D), € 22,70 (A), sFr 31,90 (CH)
 
Weitere Informationen:  www.peter-hammer-verlag.de