Fasteleer

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Fasteleer
 
Also, ich meine, es ist Zeit für ein offenes Wort an die Hitzköpfe in den beiden Lagern des kölschen Fasteleer: die Traditionalisten und die Neuerer. Ich bin zwar weder der große Experte für die eine oder andere Seite und auch nicht der Crack in Sachen Karneval, dafür aber verstehe ich was vom Feiern und von dem, was schön ist. Und da möchte ich schon sagen: Nichts ist überflüssiger als dieser jahrelang schon schwelende Konflikt zwischen den Bewahrern und Erneuerern und damit meine ich nicht nur die ‘Offiziellen’ und die Stunksitzung. Ich meine: övverhaupts. Das zieht sich ja quer durch die Fastelovends-Welt, dat die einen meinen: „Mr müsse fiere, wie mr immer schon jefiert han, weil dat es schön!“ und die anderen sagen: „Mr kann och anders fiere, Hauptsach mir han Spaß un dat es och schön!“
Und schon sin sie sich am Kloppe wie die Kesselflicker, quasi: „Wat es? Dä wor met dr Mütz vom Festkomitee op dr Stunksitzung? Jo es et dann...!“ und: „Ich? Bei denne aal Büggele optredde? Niemals!“ und: „Wo jitt et dann esu jet: Jazz om Fasteleer!“
und: „Ohne Jenehmijung könnt Ihr he nit mitloofe!“ und: „Jang mr fott met Dingem ‘frischer Wind im Karneval’! Für de Buzz!“ und...und...und!
Also ich mein: man kann so lang an dem, wat schön ist, festhalten, bis et nimmer schön is. Andererseits sollte man sich av und an övverläje, ob dat Neue, wat man für schön hält, wirklich schön es.
 
Was ich damit meine, ist folgendes: Karneval und speziell der kölsche Fasteleer ist etwas ungeheuer Lebendiges, weil es von ‘janz von unge’ kütt: aus dem Gefühl und aus dem Volk. Und ‘janz unge’ ist immer alles in Bewegung. Da gibt es keinen Stillstand. Warum? Weil ‘janz unge’ auf alles reagiert, was sich ‘bovve’ tut (im Leben, in der Gesellschaft un övverhaupts) und weil ‘janz unge’ auch alle kreativen und anarchischen Kräfte sind, die ungern in Formen erstarren. Selbst wenn man an liebgewordenen Formen und Ritualen festhalten wollte, es wäre auf Dauer sinnlos, weil sich ‘janz unge’ einfach andere Wege suchen würde, um sich zu äußern.
Der kölsche Fasteleer hat immer schon das anarchistisch-satirische Element in sich getragen (gegen das Militär und überhaupt gegen ‘Die da oben’) und er hat auch dieses ungeheuer starke Heimatgefühl in sich, ist also in vielfacher Hinsicht von ‘janz unge’ gespeist. Es wäre fatal und der Todesstoß für den ‘offiziellen’ Karneval, wollte man das ignorieren, nur um am Bestehenden festhalten zu können. Weil diese beiden Elemente aber jedem Fastelovendsjeck innewohnen, ejal ob er eine Präsidentenmütze trägt oder ‘nur’ im Geisterzug mitläuft, müßte es doch möglich sein, quasi über die eigene Mütze zu springen und offenen Herzens sich dodrüvver ze freue, dat ‘die anderen’ och Spaß an dr Freud han. Wör doch schön, wenn en dr Stunksitzung Mützen säßen oder wenn man Akteure aus dem E-Werk auch mal in einer Sitzung bewundern dürfte.
 
So möchte ich den Eiferern der einen Seite sagen:
Es muß was nicht falsch sein, nur weil es neu ist, und denen der anderen Seite: es muß nicht was falsch sein, nur weil es früher richtig war.
 
Jeck loß Jeck elans - dat wör et!
 
In diesem Sinne
Euer
Konrad Beikircher


 ©  2014 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker