Wer war es?

Fünf Frauen und ein Mord – Eine Kriminalkomödie im TTT

von Frank Becker

Wer war es?
 
Was ist überhaupt passiert?
Und wer hat es wirklich geschrieben?
 
Fünf Frauen und ein Mord (?)*) – Eine Kriminalkomödie von Gladys Heppleworth
 
Regie: Jens Kalkhorst – Bühne/Kostüme: N.N.
Besetzung: Ralf Poniewas (Inspector Hollister) - Nadine Mehler (Vera Ratow) - Soraya Sala (Mrs. Heartstone) - Svenja Dee (Jane Heartstone) - Angela del Vecchio (Hausmädchen Ruby) – Doris Hartmann (Mrs. Worthing)  
 
Der Stoff dieser pfiffigen Kriminalkomödie jongliert mit nahezu allen Klischees der Roman- und Bühnen-Literatur in der Tradition englischer Whodoneit-Crime-Stories in der Tradition von Agatha Christie, Louis Weinert-Wilton oder Edgar Wallace. So witzig wie die um 1900 angesetzte Geschichte von zunächst mal nur einer Leiche am Fuß der Treppen in einem mittelenglischen ländlichen Anwesen ist auch die fiktive Biographie der „Autorin“: „Geboren 1889 in Berkshire durchlebte Gladys eine schwere Kindheit in einem Waisenhaus, aus dem sie im zarten Alter von 17 Jahren floh. Über Umwege über Glasgow und Birmingham verschlug es die junge Britin 1910 endlich nach London, wo sie als Stenotypistin einen Job in einer Anwaltskanzlei annahm. In der Abendschule lernte sie ihren ersten Mann George Browning kennen, durch den sie ihre Liebe zur Literatur und zu den schönen Künsten entdeckte. Erste Romane und Kurzgeschichten für diverse Londoner Zeitungen folgen, so auch ein erster Ausflug in die erotische Literatur: „Der tuschelnde Trojaner“, „Die Moneten des Marquis“ bringen jedoch nicht die erhofften Erfolge. Nach einem persönlichen Schicksalsschlag – sie erwischt ihren Mann mit dessen Cousin in einer äußerst delikaten Situation, wendet sich Gladys dem Drama und dem Kriminalroman zu. Ein Genre in dem sie bei Kennern schon bald als Geheimtip gehandelt wird. Schon um 1925 werden erste Bühnenfassungen ihrer Werke wie z.B. „Tödliches Erbe“ und „Kaltblütig“ im Londoner Westend aufgeführt. Doch lange soll dieser Erfolg nicht anhalten - 1931 wird sie für ihr Werk „Der Mops mit der Maske“ von einem bekannten englischen Autor wegen Plagiats verklagt. Heppleworth verliert den Prozeß, muß eine hohe Strafe zahlen und verliert die Lust am Schreiben. Zusammen mit ihrem zweiten Ehemann Clive Berry zieht sie sich auf ein Landschloß von Berrys Verwandten zurück, wo sie eine Stelle als Gesellschafterin annehmen muß. Dort wird sie 1934 von einer überraschenden Schwindsucht dahingerafft.“
 
 
 „Ich tu nur, was man mir aufträgt!" - v.l.: Ralf Poniewas, Angela del Vecchio, Svenja Dee, Soraya Sala - Foto: TTT

Aber zurück zum Stück, das in einer Inszenierung von Jens Kalkhorst am Samstag im Wuppertaler TalTonTheater seine gefeierte Premiere erlebte: Eingebettet in das stimmige statische Bühnenbild und mit wunderbaren Garderoben ausgestattet, ist das Rätsel um die wahre Ursache für den Tod des mit gebrochenem Genick am Fuß einer Treppe aufgefundenen Hausverwalters Malcolm zu lösen. Inspector Edward Hollister (britisch zurückhaltend: Ralf Poniewas) hat eine schwere Nuß zu knacken, als er auf dem Heartstone-Anwesen eintrifft, empfangen von fünf recht eigenwilligen Damen, von denen eine, die attraktive Erzieherin Vera Ratow (souverän: Nadine Mehler) unumwunden zugibt, den fatalen Sturz durch die Abwehr von Zudringlichkeiten Malcolms verursacht zu haben. Doch Hollister bleibt mißtrauisch: zu viele Ungereimtheiten werden durch die unterschiedlichen Aussagen der fünf Frauen spürbar. Und er scheint auf der richtigen Spur zu sein, als sich herausstellt, daß der verewigte Mr. Heartstone vor knapp drei Monaten auf die nämliche Art und Weise zu Tode kam.
Die überdrehte Haustochter Jane Heartstone (facettenreich: Svenja Dee) spielt mit Wahrheiten und dem zunehmend nervös werdenden Inspector. Die verwitwete Hausherrin Mrs. Heartstone (wunderbar überheblich und undurchsichtig: Soraya Sala) verfügt über ein ausgewachsenes Potential an Unwahrheiten. Die resolute, impulsive Hauswirtschafterin Mrs. Worthing (herrlich burlesk: Doris Hartmann) hat mehr als nur Gebäck und Braten zu bieten. Angela del Vecchio schließlich als das tumbe Hausmädchen Ruby, nur scheinbar stockdoof, schießt den komödiantischen Vogel ab: ihre mit Szenenapplaus bedachten Soli sind köstliche Kabinettstücke.
 

 v.l.: Doris Hartmann, Ralf Poniewas, Angela del Vecchio, Nadine Mehler, Svenja Dee, - Foto: TTT

Als feststeht, daß der wohl recht attraktive Malcolm allen (?)*) Damen im Haus „gefällig“ war, ergeben sich ganz andere Verdachtsmomente und für alle eine völlig neue Lage. Wahrheit? Lüge? Phantasie? Mord? Notwehr? Unfall? Es ist ein raffiniertes Puzzle aus widersprüchlichen Aussagen und offenkundigen Lügen, das sich schließlich in einer kaum zu erwartenden Richtung auflöst. Das kann und soll hier nicht verraten, nicht einmal angedeutet werden. Erleben Sie es selbst.
 
*) Das Fragezeichen ist jeweils eine Anmerkung der Redaktion
 
Weitere Informationen:  www.taltontheater.de