Kindheitserinnerungen zum Leben erweckt

Anne-Catherine Studer und Silvia Munzón Lopéz in der Citykirche Elberfeld

von Daniel Diekhans

Kindheitserinnerungen zum Leben erweckt
 
Anne-Catherine Studer und Silvia Munzón Lopéz lasen in der Citykirche Elberfeld
 
Sind sie Jungen oder Mädchen? Kinder oder Erwachsene? Für einen Moment ist die Verwirrung perfekt. Die beiden Gestalten stapfen in viel zu großen Mänteln und Gummistiefeln auf die Bühne. In den Stiefeln gluckert Wasser. Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Mit langen Haaren. Unter den weiten Mänteln lugen Röcke hervor. Beim Auftritt in der Elberfelder Citykirche lassen die Schauspielerinnen Anne-Catherine Studer und Silvia Munzón Lopéz der Phantasie freien Lauf. Ihre Lesung „Reste essen und auf nach Eden!“ spürt der Kindheit und dem Erwachsenwerden nach. Schirmherrin Brigitte Melchers, Vorsitzende der Wuppertaler „Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer“ (GEDOK), übertreibt nicht, wenn sie dem zahlreichen Publikum „etwas ganz Besonderes“ ankündigt. Voller Spielfreude sorgt das Duo für einen Abend, der wie im Flug vergeht. In fließenden Übergangen werden Gedichte und Erzählungen von Erich Kästner bis Nuran David Calis präsentiert.
 
Klarer Favorit ist der Schweizer Robert Walser. Dessen Prosaskizze „Schnee“ tragen beide mit hellen Mädchenstimmen vor: „Es schneit, schneit, was vom Himmel herunter mag…“ Wer weiß, daß Walser den Tod im Schnee fand, beginnt unwillkürlich zu frösteln. Der Vater-Sohn-Beziehung gewinnt der deutsch-türkische Autor Nuran David Calis ungewohnt komische Seiten ab. Die Trennung vom übermächtigen „Baba“ gelingt mit Shakespeare, während der junge Familienvater seinen Sohn lieber mit in die Bar nimmt als ihn zur Schule zu schicken. Elegant werden die Texte in Wechselreden aufgelöst. Ein Wort gibt das andere. In einer raschen Abfolge von Solo- und Duonummern bespielen Studer und Lopéz ihre Bühne. Sie gehen getrennte Wege, nähern sich wieder einander an und sitzen am Ende wieder friedlich vereint auf dem bunten Holzpferd, das Rilkes Gedicht „Das Karussell“ entsprungen zu sein scheint: „Und auf den Pferden kommen sie vorüber,/ auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge/ fast schon entwachsen …“
Wie ihre Zuschauer sind auch Anne-Catherine Studer und Silvia Munzón Lopéz den Kinderschuhen längst entwachsen. Doch ihr Blick zurück weckt längst verloren geglaubte Erinnerungen. Eine große Leistung.
 
Den nächsten Leseabend unter der Schirmherrschaft der GEDOK geben Anne-Catherine Studer und Silvia Munzón Lopéz am 11. Februar im Literaturhaus Wuppertal. Gelesen werden Kurt Tucholskys Briefe an seine spätere Frau Mary.
 
Weitere Informationen unter: www.gedok-wuppertal.de